Hallo Kurti,
so schnell komme ich nicht hinterher.
Auf die Idee mit dem “Ab Brigantio Ad Aenum” bin ich gekommen, als ich vor Jahren mal die Gliederungsstruktur des Itinerarium Antonini (in der Wiedergabe von Cuntz) analysiert habe. Leider komme ich nicht dazu das irgendwo zu veröffentlichen und einen “akademischen Titel” habe ich schon - wozu einen zweiten?
Kleiner Auszug:
Analyse der Gliederungsebenen des IA (auf Basis der Wiedergabe von Cuntz)
Beobachtung:
Seite,Zeile (Numerierung von Cuntz)
** Fernstrecken (Provinzen, Regionen, Kontinente)**
Hauptverbindungen (von A nach :sunglasses:
Einzelstationen (Mutatio, Mansio, Civitas)
Grundstruktur:
** ITER** ABC (oder Region oder Eigenname oder „de A per B in C** “)**
[Iter quod] a _AAA_ per _BBB_
[ad] _CCC_ [usque] [ducit] m.p. _AAA __-__ CCC_
sic:
A _AAA_ ad _BBB_ m.p. _AAA __-__ BBB_
... m.p. _a_
... m.p. _b_
_BBB_ m.p. _c_
Item ab _BBB_ ad _CCC_ m.p. _BBB __-__ CCC_
... m.p. _d_
... m.p. _e_
_CCC_ m.p. _f_
Häufig vorkommende Floskeln:
a, ab von … weg
ad zu, bei
castra Kastell (einer Legion)
inde dann, darauf, von da
item ebenso
leg. Legion
leugas Leugen (1,5 m.p. = 2220 m)
m.p. milia passuum (1480 m +/-5 m)
per aus, (hin)durch, ringsum
per compendium Abkürzung
per medium durch das Zentrum
sive (ein)schließlich
usque bis, in einem fort
viam ? (obviam = entgegen)
Beispiel:
98,3 Iter quod a Mediolano per Picenum et Cam-
98,4 paniam ad Columnam, id est Traiectum
98,5 Siciliae, ducit m.p. DCCCCS:
Das würde heißen dass “Ab Brigantio Ad Aenum” durchaus eine “Überschrift” von einem Abschnitt in einem Itinerarium gewesen sein könnte.
Damit gibt es den Ort “Ad Renum” überhaupt nicht als Ort sondern ist durch einen Lesefehler in die Strecke eingetragen worden.
Was bedeuten dann aber die Entfernungsangaben und die Fortsetzung über Vemania und Viaca seltsamerweise direkt nach Augusta VIndelicum? Dazu habe ich auch keine befriedigende Lösung gefunden. Ich könnte mir hier höchstens vorstellen dass das Itinerar hier am Ende einer Seite geschrieben war und der rechte Rand bzw. der untere Teil beschädigt war, so dass das was bei Brigantio und Ad Renum steht eigentlich die Gesamtenfernung hätte sein sollen. Was aber nicht mehr genau zu entziffern war. Und daher einfach Lücken enthält.
Das seltsame “Viaca” ohne Entferungsangabe könnte auch etwas mit “Cambodunum” zu tun haben, das ja ziemlich genau an dieser Stelle auf der Route liegen müßte. Z.B. wäre es möglich dass “VI” eine Entfernungsangabe ist und “A Ca…” der Rest von einem Ortsnamen. Und weil es nicht lesbar war, ist dem Zeichner auch nicht aufgefallen dass Cambodunum später nochmal vorkommt…
Einen ganz guten Beleg für solche Annahmen über den Entstehungsprozeß der Tabula findet man z.B. auf der Route von Verona nach Hostilia. Da steht doch glatt dazwischen:
“Auerona Hostilia Milia Passus XXXIII”
Und es unterstellt, dass die Tabula eben keine Kartenvorlage hatte die über Jahrhunderte ergänzt wurde (wobei ich, nachdem ich die Fotos des Originals aus Wien gesehen habe, sogar leichte Zweifel habe dass es überhaupt eine Kopie ist - und hätte da eine Stelle die kaum als Kopierfehler zu erklären ist), sondern wurde einmalig aus Lagebeschreibungen sowie einem Sammelsurium an verschiedenen Itinerarien zusammengetragen. Das erklärt m.E. auch warum so zeitlich unterschiedliche Einträge wie Straßen zwischen “Popeiji” und “Herculaneum” vorzufinden sind, aber auch eindeutig Christliches aus dem 4. Jhdt.
Ich hatte auch mal überlegt ob es gelingen könnte, die zugrundelegenden Itinerarien zu rekonstruieren, denn manchmal scheint auch Information darin zu stecken wo die Entfernungsangaben relativ zu den Ortsnamen stehen. Aber das ist eine Herkulesaufgabe, weshalb ich sie nie angepackt habe.
Und ich habe auch gelernt zu berücksichtigen was gesichert ist und was reine Spekulation, und so sind wir hier schon ziemlich im Bereich der Spekulation. Außer irgendjemand findet ein Tabellarium oder einen Meilenstein wo das hier verwendete Itinerar rund um den Bodenseee abzulesen ist…
– hns