Archäologie in Deutschland

Hallo :wink: Man muss es mal so sehen: Was würden Menschen, die nichts mit Archäologie zu tun haben, lieber anschauen Ägypten, Rom, Griechen usw. oder die Archäologie hier in Deutschland? Ganz klar wie die Antwort ausfallen würde, nämlich Ägypten&Co. Dazu kommt noch das viele Menschen ein falsches Bild von dem Beruf des Archäologen haben. Sie stellen es sich al la Hollywood vor und da wird nun mal nach versunkenen Schätzen der Azteken oder der Ägypter gesucht. Viele Menschen wissen auch nicht das es eine interessante Archäologie hier in Deutschland gibt. Pyramiden klingen nun mal spannender als Grabhügel. Die Sender wollen mit ihren Sendungen auch etwas verdienen, deshalb wird das geliefert was die Mehrheit sehen möchte.

Ganz meine Meinung! Und ich glaube das man das Image von Archäologen nicht so schnell ändern kann. Umgangssprachlich bist du als Archäologe, doch nur der, der nach alten Steinen buddelt und das das sowie so niemand nutzen würde. So nach dem Motto, was juckt mich ein paar alte Scherben. Es sei den du warst in Ägypten tätig. Als Archäologe muß man fast schon Gold finden um in den Medien zu kommen. (Das ist zwar ein bißchen vorurteilslastig, aber so etwas habe mich mir schon manches Mal als Hobbyarchäologie anhören müssen!) Ein schöner Tag noch Celestina

Hallo Celestina, ich hoffe, Du hast den Thread auch ganz gelesen. Fast glaube ich es nicht, weil wir bereits darüber gesprochen hatten, dass das eine starke Reduktion ist, dass nur Sensations- un Goldfunde für die Medien spannend wären. Sorry, ich finde, das enthebt Archäologen jeder Verantwortung, selbst aktiv zu werden. Und es schiebt alle “Schuld an der Misere” den bösen, bösen Medien in die Schuhe. Ich möchte nicht nochmal alles wiederholen, was ich oben geschrieben hatte, das wäre langweilig. Nur nochmal soviel: Ich bin Prähistorikerin und Journalistin, kenne also beide Seiten der Medaille. 1995 war ich mal auf einem Kongress, bei dem ein Saal voller (italienischer) Archäologen sich stundenlang selbst bemitleidete, weil die Medien sich nicht für die Eisenfibel interessierte, die einer in Schnitt zwei, Planum 5a der Nordfläche von Grabung XY entdeckt hatte - Du merkst, ich übertreibe gerade, aber das war das Prinzip. Es war nicht auszuhalten. Und es wäre ein Leichtes gewesen, jede Ausgrabung so hinzustellen, dass sie nach außen hin (also z. B. für Medien) spannend geworden wäre. Aber das konnten die Archäologen nicht. Sie wussten nicht, wie anstellen. Daran hakt es, das ist der Punkt! Jammern hilft nebenbei auch niemandem. Viele Grüße Diane

Kann es nicht auch damit zusammenhängen, daß die meisten Grabungsplätze nördlich der Alpen einfach nicht viel für das Fernsehen hergeben? Reste von Pfahlbauten oder Gräber mit germanischen Eisenfibeln sind einfach nicht so spektakulär wie Goldsarkophage aus Baharia. Zudem ist die Glorifizierung des Germanentums im Dritten Reich sicherlich ein Grund, warum man heute allem was aus Deutschem Boden kommt eher mit Zurückhaltung begegnet - ungeachtet seiner tatsächlichen Bedeutung. Was man allerdings auch nicht übersehen darf: In den Mittelmeerländern, selbst in Ägypten, gibt es unzählige wichtige Grabungsunternehmungen, die dennoch nicht in den Medien erscheinen. Ich denke der Anteil an Berichten über Funde in Deutschland ist sogar, im Verhältnis zur Bedeutung dieser Funde, relativ hoch.

Sicher ist eine Kalksteinmauer auf Kalboden schwer zu zeigen. Und ja, manche Dinge kann man nicht so leicht fernseh-tauglich machen - manche Erdverfärbung etc. Ihr wisst, was ich meine. Aber Medien sind mehr als das Bild. Ich finde schon auch, dass eine Pyramide vor Sonnenuntergang nen Vorteil hat gegenüber der Erdverfärbung. Aber das betrifft doch jede wissenschaftliche Disziplin, jeder kämpft mit dem Problem. Da darf man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen! Und ich finde auch die Bemerkung sehr richtig, dass mancher Fund in Ägypten in den Medien gar nicht wahr genommen wird. Ich hab die Maya-Ruinen auf Yucatan gesehen: eine vertane Chance nach der Anderen. Das “Geschäft” macht die Tourismus-Industrie. Und was die erzählen, glauben die Leute. Die INAH ist außen vor - aus eigener Schuld. Werbung in eigener Sache: Auf dem kommenden EAA-Meeting in Lyon (September 2004) werde ich einen Workshop zum Thema Archäologie und Medien machen. Da wird es drum gehen, wie man eine gute Pressemeldung schreibt, wie man sein Forschungsprojekt erfolgreich den verschiedenen Medien präsentiert, ohne selbst in zu viel zusätzlicher Arbeit zu ertrinken etc. Es wäre toll, wenn Ihr mir hier Anregungen geben würdet, was ein Archäologe da außerdem noch lernen sollte. Vor allem aber wäre es klasse, wenn der eine oder andere von Euch dazukäme. Ich würd mich freuen. Viele Grüße Diane

Hallo Diane, Dein letzter Beitrag ist nun schon etwas länger her, trotzdem möchte ich gerne eine Anregung anbringen. Ich denke, ArchäologInnen sollten wieder lernen Geschichten zu erzählen. Wir haben uns weit von der unbekümmerten Interpretation entfernt, die so typisch für die Änfänge der Archäologie war. Vor allem wohl, weil man gemerkt hat, daß diese Interpretationen nicht nur zum Guten verwandt wurden. Manchmal glaube ich zu spüren, daß nach einer langen Abstinenz, der Wille zum mutigen Schlußfolgern wieder aufersteht. Doch der Anspruch rein wissenschaftlich zu arbeiten sitzt tief. Wissenschaftlich ist alles, was man mit dem Coputer ausgerechnet hat, eine Chronologie in 10 Jahres-Schritten, die Prozentzahl der Gruben gegenüber den Pfostenlöchern… Und doch braucht der Mensch Geschichten. Warum interressieren sich denn so viele für Archäologie oder anders gesagt, für Menschen, die sie nicht kennen und die schon seit Jahrhundterten tod sind? Es gibt so eine wundervolle Passage in Sherlock Holmes: Er betrachtet eine Taschenuhr und erzählt Watson, daß der Besitzer ein Trinker ist. Holmes hat natürlich recht. Wenn wir Archäologen ein Fundstück betrachten und uns den Besitzer dazu vorstellen, dann wissen wir nie, inwieweit wir recht haben. Und doch… wir brauchen diese Vorstellung! Wir müssen Geschichten erzählen. Die Fantasie sollte nicht als Widerspruch zur Wissenschaft stehen. Das einzige was beachtet werden muß, ist den Wahrheitsanspruch völlig fallen zu lassen. Wir werden eh nie erfahren können, ob der Typ im Hügelgrab seine Frau geliebt hat… Viele Grüße

Hallo Fran, ich stimme Dir zu und möchte noch ergänzen: Es gibt die Geschichten auf zwei Ebenen: Die eine wird bevölkert von den Menschen damals, die allzu oft hinter den vielen Indizien und Mosaiksteinen, welche die Archäologinnen zusammentragen, verschwinden. Auf der anderen Ebene agieren die ArchäologInnnen selbst : Das sind die Geschichten der Ausgrabungen, der Funde , der Rätsel und Fragen und der Interpretationen . Auf beiden Ebenen ergeben sich spannende Geschichten. Als bestes Beispiel einer gelungenen Kombination beider Darstellungsebenen fällt mir das Neanderthal-Museum ein. Fran:

(Da hast Du wohl ein ‘nicht’ vergessen. ) Es fällt den ArchäologInnen sicher oft schwer, sich in ihren Veröffentlichungen über die reine Faktenlage hinweg ihre Fantasie walten zu lassen, um die Menschen von damals mit Leben zu erfüllen. In den wissenschaftlichen Publikationen ist das sicher nicht angebracht; an der Schnittstelle zur Öffentlichkeit ist es, denke ich, inzwischen existentiell für die Archäologie selbst, sich und ihre Relevanz verständlich rüberzubringen. Trotzdem bin ich mir nicht klar, ob das ausreicht. Denn zugegebenermaßen stehe ich etwas hilflos vor der Tatsache, dass ich ein starkes Interesse an archäologischen Themen beobachte, und andererseits eine Indifferenz gegenüber den Einschränkungen und Schließungen, welche die Politiker über die arch. Institutionen verhängen. Grüße. Arne

Hallo Arne, mit dem zitierten Spruch meine ich wirklich, dass man den Anspruch auf die Wahrheit fallen lassen soll. Es gibt nirgends DIE WAHRHEIT…(auch nicht in den Naturwissenschaften) doch besonders in der Archäologie wird nie etwas bewiesen werden. Das soll jedoch nicht heissen, dass man nicht versuchen sollte wissenschaftlich korrekt zu arbeiten. Der Zustand, die Gegebenheiten, der vergangenen Welt ist für mich ( jetzt kommt ein vielleicht seltsamer Vergleich, doch mir fällt gerade nichts passenderes ein) so etwas wie der Heilige Gral. Man wird ihn nie erreichen und doch macht man sich auf den Weg ihn zu finden. Manchmal denkt man, er ist direkt vor einem, dann kann man sich ein Bild machen, doch halten kann man ihn nie. Trotzdem gibt es natürlich Fakten, an die man sich halten muß und sollte. Und es gibt Interpretationen, die viel wahrscheinlicher sind als andere. Diese Dinge sind wie Wegweiser, doch sie sind nie das Ziel. Zitat: In den wissenschaftlichen Publikationen ist das sicher nicht angebracht Es ist wohl wirklich nicht angebracht, in wissenschaftlichen Arbeiten, z.B. zur Chronologie, auszuschweifen und geschichten zu erzählen. Doch ich halte es für notwendig, nicht nur eine Interpretation zu liefern, wenn nicht nur eine möglich ist. Und dazu braucht es eine Menge Fantasie und sehr viel Offenheit gegenüber neuen Ideen. Also im Großen und Ganzen will ich sagen: ArchäologInnen, wie auch andere Wissenschaftler sollten nicht zu dem Punkt kommen und sagen, so und so ist es gewesen. Was ja erstmal im Widerspruch zu den Geschichten, die erzählt werden sollen, zu stehen scheint. Doch es gibt die Möglichkeit viele Geschichten zu erzählen. Zu sagen und deutlich zu machen, so ist es vielleicht gewesen, aber vielleicht war es auch so. Damit verlange ich größtmögliche Offenheit und noch mehr Fantasie. Ich denke, Fantasie kann man trainieren, aber nicht indem man versucht sie als unwissenschaftlich abzutun. Große Wissenschaftlter, waren glaub ich sehr oft alles andere als “Erbsenzähler”, siehe Einstein… Zu der Situation: großes Interesse und große Einsparungen: Auch ich frage mich, wo das hinführen soll, gerade da ich jetzt am Ende meines UFG Studiums stehe. Doch solange dieses Interesse besteht und größer wird, wie ich zu erkennen glaube, sollte man auf keinen Fall den Kopf hängen lassen. Allerdings gibt es wirklich viel Unverständnis gegenüber den Tun der ArchäologInnen. (Wie ich leider auf einer Grabung erfahren musste. Unser Team wurde täglich verbal attackiert, da man glaubte wir seinen Schuld, dass die Strasse nicht fertig wurde.) Viele fürchten um ihre Steuergelder. Ich denke, wenn wir wieder Geschichten erzählen, wenn die Lücke zwischen Populärwissenschaftlich und Elfenbeinturm schrumpfen würde, wenn wir die eigene, “europäische”, Vergangenheit verstärkt vermitteln (wo wir wieder am Anfang dieser ganzen Diskussion wären), dann könnte das Unverständnis sinken und die Unterstützung wachsen. Klar, das sowas nie sehr schnell passiert, vielleicht braucht es auch noch eins/zwei Generationen von Wissenschaftlern. Also auf in den Kampf :wink: ! Gute Anfänge gibt es überall, wie Dein Beispiel des Neanderthal-Museums. Die Zeiten scheinen schlecht zu sein. Andereseits wurde noch nie so viel für die Erhaltung der Vergnangenheit ausgegeben. Hoffnungsvolle Grüße!

Hallo Fran, hallo Arne, ich freu mich über Eure mutigen, optimistischen und differenzierten Beiträge! Eine Kollege (er macht Fernsehen) sagte mal, man wolle den Wissenschaftler hinter der Nachricht erkennen können. Also nicht nur die geklonte Maus sehen, sondern den, der das bewerkstelligt hat. Wenn man beispielsweise schaut, wie stark die Person Gunter von Hagens die Körperwelten-Debatte beeinflusst hat: es ging da immer auch um den Mann mit dem schwarzen Hut. In diesem Fall sehr umstritten oder eher sogar negativ angehaucht. Aber doch immerhin ein Beispiel, wie wichtig die Person sein kann. Wenn sich Archäologen einmal überlegen, wie sie ganz privat mit Informationen aus anderen Wissensbereichen umgehen, könnte auch manches klar werden. Wie schaue ich als Archäologe denn am liebsten Wissenschaftsinfos aus - sagen wir - der Meeresbiologie an? Ich glaube, die meisten würden jetzt schon sagen, dass sie (im Fernsehen) schöne Bilder mögen, klare und prägnante Aussagen, Dinge auf den Punkt gebracht. Da ist die Sub-sub-Spezies (falls es sowas gibt) mit der Seitenflosse zwei Zentimeter weiter hinten als ein anderes Exemplar aus nem Meeresgraben weiter weniger spannend. Ich möchte doch wissen, was diese Info bedeutet. Jemand muss mir sagen, warum das wichtig ist. Dann verstehe ich auch auf einmal, warum ein Meeresbiologe seit 20 Jahren nichts anderes tut als Seitenflossen ausmessen. Das muss ich begreifen. Und ich bin neugierig, wer das wohl ist, wie der aussieht (ich denke, der Mensch ist so gestrickt). Und noch weiter: Wenn ich das verstanden hab, dann zahle ich auch gerne meine Steuern dafür, bezahle für die Ausstellung und kaufe das Buch. Ich wette, den meisten Archäologen geht es so wie beschrieben. Da unterscheiden wir uns nicht von “der Öffentlichkeit”, da sind wir die Öffentlichkeit. Ich denke, wenn wir mal die Gedankenübung machen, verstehen wir besser, was Medien brauchen, was Öffentlichkeit will. Wie seht Ihr das? Viele Grüße Diane

Hallo! Die Person hinter der Nachricht ist wirklich entscheidend. Aber es ist dann nicht nur der/die WissenschaftlerIn, sondern auch der/die JournalistIn. Doch alle in einem Beitrag transparent werden zu lassen ist wahrscheinlich zu viel des Guten. Nichtsdestotrotz ist die forschende Person ausschlaggebend für Ihre Forschung. Wenn der Meeresbiologe stark auf die Seitenflosse fixiert ist übersieht er womöglich die Sensation, die direkt daneben schwimmt. Oder der Archäologe, der sich auf das Mittelalter spezialisiert hat, schenkt der neolithischen Grube keine Aufmerksamkeit, und so geht diese für die Forschung verloren. Die Wissenschaft wurde, glaube ich, in den letzten Jahrzehnten stark vom Menschen losgelöst. Wissenschaftlich zu schreiben heißt oft auch, das Wort „Ich“ selten zu benutzen. Neben dieser Tendenz gibt es aber auch andere Strömungen, wenn ich mich recht erinnere, wird vor allem in der Sparte der Konstruktiven Psychologie wieder mehr Persönlichkeit gefordert. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass die Objektivität, wie sie angestrebt wird, eigentlich nicht vorhanden ist. Selbst naturwissenschaftliche Versuche, die den „guten Ruf“ der Beweisbarkeit haben, sind fest verbunden mit dem Zustand der forschenden Person. Ich sehe das bei einer befreundeten Pharmazeutin. Sie extrahiert immer wieder Proteine aus Leberzellen. Es ist immer der gleiche Versuchsaufbau, doch an einen Tag kommt etwas anderes heraus als an einem anderen. Zum Schluss wird allerdings das angebliche Ergebnis stehen, die und die Proteine sind grundsätzlich in der Leber und wahrscheinlich wird niemand dies bezweifeln…… Um Deine Gedankenübung aufzugreifen: Ich höre gern Vorträgen zu oder sehe gern im Fernsehen Berichte, wo man spürt, dass die Person, die da etwas gemacht hat voll dahinter steht. Da kann das Thema noch so weit von meinen Interessen entfernt sein, ist da eine Person, die begeistert ist und auch noch gut erzählen und erklären kann, so höre ich zu. All die Versuche, das Ich heraus zunehmen, laufen vielleicht wirklich dem „wie der Mensch gestrickt ist“ zuwider. Persönliche Grüße Franziska

Wenn ich einfach auch mal ganz kurz meinen Senf dazugeben darf; auch bzgl. Deutschland gibt (bzw, gab) es einige gute (bzw. gutgemachte) Sendungen und Publikationen. Ich erinnere nur an “C-14 - Archäologie in Deutschland” (3 Bände; aber - wenn ich die Biographien richtig gedeutet habe - kein Archäologe an Bord) oder die Zeitschrift “Archäologie in Deutschland” (kennen wohl die meisten von uns Theiss Verlag). Ein ganz kurzer Schwenker sei mir bitte noch bzgl Arbeitsplatzsituation für Archäologen in Deutschland gestattet; vielleicht wollen uns die Medien mit diesen Veröffentlichungen einen Hinweis liefern, wo in Zukunft eine größere Grabung laufen könnte, bei der Fachkräfte gesucht werden (und dami Arbeitskräfte - tun wir einfach mal so, als würden wir noch an das gute im Menschen glauben…)

Für dieses Forum habe ich alle Beiträge gelesen und ich muß mich dem anschließen,was Fran gesagt hat. Es ist verständlich, dass Wissenschaftler sich nur Fakten beugen, aber warum können sie nicht unter der Rubrik Vermutungen, Spekulationen ihrer Fantasie freien Lauf lassen? Ich habe als Tourist viele historische Stätten gesehen und mich hat besonders eine griechiche Archäologiestudentin in Pella beindruckt, die Fakten und Vermutungen sehr gut miteinander verknüpft hat. Natürlich hat sie immer darauf hingewiesen, was gesicherte Fakten sind. So wird Archäologie auch für Ottonormalverbraucher verständlich und interessant.Es ist doch interessant zu wissen, was Alexander der Große für Kleidung trug, wie seine Waffen, seine Speisen, Getränke usw. aussahe usw. usw.

Lieber Herr Probst, Ihren wunderbaren Büchern merkt man nicht an, dass Sie solche frustrierenden Erfahrungen machen mussten. Wenn man freier Autor ist und seine Themen, an denen oft das Herz hängt, einem Redakteur “andienen” muss, ist das hart, und Unverständnis schmerzt. Manchen Redakteurs-Kollegen muss man das Wort “Archäologe” buchstabieren, das ist wahr - aber kann umgekehrt jeder Archäologe Desoxyribonukleinsäure auf Anhieb richtig schreiben oder aussprechen? Ich habe ebenfalls schon die Erfahrung gemacht, dass mir als Prähistorikerin unterstellt wird, ich würde mich mit Sauriern auskennen. Aber das ist eben oft so mit dem Journalistenwissen: Weit wie ein Ozean und tief wie eine Pfütze. Ich habe glücklicherweise bessere Erfahrungen machen dürfen als Sie. Ich bin überzeugt: Interesse an archäologischen Themen ist da, und sogar viel häufiger, als Archäologen denken. Viele Grüße Diane Scherzler

Hallo zusammen… Ich frage mich, ob das Problem der “mangelhaften” öffentlichen Information, nicht auch durch die Archäologischen Organisationen ( Unis, Verlage, Wissenschaftler…) hausgemacht ist. Ich will es gerne erklären, was ich damit sagen möchte… Ich interressiere mich schon seit meiner frühen Jugend für die Archäologie ( und kann sagen, das man in einer Bücherei blöd angesehen wird, wenn man als 10-12 jähriger mit entsprechenden Bücher rauskommt…;-)). Mit der zeit habe ich viele Bücher zu diversen Archäologischen Themen gelesen, allerdings keinen “originalen” Grabungsbericht. Das dieser von jeder Grabung erstellt und veröffentlicht wird, war mir allerdings bekannt. Ich habe versucht, über die Universitäten in Mainz und in Köln eine möglichkeit zu finden, solche zu erhalten. Leider stellte ich dabei fest, das von Fakultätsseite kein interesse Bestand, einem nicht studierenden hier zu Helfen. In einer Uni hieß es lapidar: " Damit können sie eh nix anfangen." in der anderen: “Soetwas wird von uns nur Studenten zur verfügung gestellt!”. Leider ist es mir nicht möglich zu studieren, da ich früher nicht gerade sehr “Schulfreudig” war. Durch zufall fiel mir dann ein Buch in die Hand, das einen Grabungsbericht zu den in Mainz gefundenen Römerschiffen enthielt ( Die Mainzer Römerschiff, Herausgeber Gerd Rupprecht ). Erstmals war es mir möglich genau informationen über den Umgang mit den Funden, Ihrer Bergung und Restauration sowie eine vorläufige deutung der Funde zu lesen. Was nicht immer einfach aber sehr interessant war. Im nachhinein stellt sich mir die frage, ob nicht ein “interessentenfreundlicherer” Umgang durch die Universitäten auch eine bessere Informationslage bewirken kann. So wie ich es leider erlebt habe, bleibt einem eigentlich nur wenig mehr, als weiter nach Bücher zu suchen, oder auf die Sendungen im Fernsehen ( ZDF oder Premiere Discovery Channel ) zu warten, die durch die begrenzte Sendezeit ( meist 45 minute ) und die massengerechten Formate entsprechend nur begrenzte informationen liefern. Zumal ich auch im Bereich der sog. Fachzeitungen ( hier speziell Archäologie in Deutschland, Theiss Verlag ), erleben mußte, das nur Leser gern gesehen sind, die Abo´s abschließen. Diese Zeitschrift ist nur über den Buchhandel zu beziehen, und das auch nur, wenn der Verlag lust dazu hat. Denn auf einer telefonischen Anfrage nach 2 Ausgabe, die dem Buchladen nicht einfach gesendet wurden, hies es beim Theiss Verlag nur lapidar: " Haben Sie halt pech gehabt…" Also kein interresse an interessierten Laien? Stören alle, die mehr wissen möchten, als in den “allgemein verständlichen” Buchversionen steht? Oder ist es das Problem, das die Archäologie nicht in der lage ist, eine öffentlichkeitsarbeit zu leisten? Mangelndes interesse? Oder mangelnde Fähigkeiten? Sind die Wissenschaftler überhaupt bereit, ihre arbeit einem größeren Kreis als den ihrer Fachkollegen zugänglich zu machen? In diesem, nachdenklichen Sinne Alex

Hallo Alex, ich stimme größtenteils mit Ihnen überein. Auch ich bin Laie, bin aber mit einigen Archäologen sehr gut bekannt, so dass ich glaube bei der Diskussion mitreden zu können. Durch mein Interesse für Archäologie habe ich schon einige Archäologie-Vorträge gehört. Dabei ist mir vor allem aufgefallen, dass die Archäologen, die diese Vorträge gehalten haben durchaus etwas auf dem Kasten hatten. Sie hatten unheimlich viel Fachwissen und Kenntnisse, aber bekamen dieses nicht an das Publikum rüber. Es wurde fachgesimpelt mit massenhaften Fachbegriffen und einige hätten wirklich ein Rhetorikkurs verdient. Ein Publikum möchte begeistert werden, einfach, knapp informiert werden. Was ich mit dem Erzählen meiner Erfahrungen sagen möchte, ist dass dieses Informationsdefizit über Archäologie in Deutschland auch zum Teil daran liegen kann, dass einige Archäologen ihre Arbeit nicht gut “verkaufen” können. Dass ist ja auch das wichtigste um an Förderungsgelder zu kommen. Auch schließe ich mich der Meinung von Fran an. Gruß Celestina

Liebe Celestina, meine volle Zustimmung. Und natürlich geht das nicht nur den Archäologen so. Physiker, die etwas zu Neutrinos sagen möchten, haben es da sogar noch schwerer, dann hier muss neben der sprachlichen Klarheit auch noch die Sache richtig erklärt werden - da haben es Archäologen manchmal leichter (wenn eine römische Münze entdeckt wurde und das für eine Gegend erstmals den Kontakt zu den Rönern belegt, ist das ja inhaltlich an sich nicht schwierig). Wissenschaftler lernen - quasi auch als Initiation - einen Jargon, eine spezielle Sprache. Mit der verständigen sie sich untereinander. Aber als Sprache nach außen taugt sie kaum. Ich weiß noch, wie ich als Erstsemester vor Ehrfurcht beinahe nen Kniefall machte, als Magistranden milde lächelnd in der Teeküche uns in die Geheimnisse von “Tieh-Arr-Bii” einführten. Kaum jemand traute sich zu fragen, was das denn sei. Jeder nickt, als kenne er TRB - die Trichterbecherkultur. Und dann gibt es noch den Jargon, der so tut, als wäre er wissenschaftlich, aber nur aufbläst. Damit meine ich schlangengleiche Sätze voller Substantive, gewunden, endlos, voller Nebensätze. Ich sage nur: “Nach Ausführung der Analyse, welche stichprobenartig war, gelangten die Verfasser zu mannigfaltigen Ergebnissen, welche deutliche Hinweise darauf zu geben scheinen …” und so weiter. Kein Mensch traute sich, Einfaches einfach niederzuschreiben. Und ehrlich gesagt wäre sonst manches Mal klar geworden, dass sich hinter einer Hausarbeit nicht viel Inhaltliches verbarg. Wir haben hier beim SWR ja auch Hospitanten oder Volontäre, die frisch von der Uni kommen. Keine Archäologen, sondern eher Germanisten, Politikwissenschaftler, Historiker. Du kannst wetten, das deren erste Beiträge dreimal länger sind, als sie sein dürften, schwerfällig geschrieben, un-spannend, witzlos. Also, ich war genauso. Das fällt wirklich schwer, sich auf ein, zwei wichtige Kernaussagen zu konzentrieren. Sich zu einer klaren Aussage zu entscheiden (z. B. waren die Römer nun an diesem Ort gewesen oder nicht) und schlichtweg in kurzen Zeiträumen Texte zu verfassen. Was ich sagen will: Es ist schwierig, von so etwas wieder Abstand zu nehmen. Man grenzt sich von der Sprache seiner Gruppe aus und hat sicher auch manches mal Angst davor, nicht mehr für “wissenschaftlich” gehalten zu werden. Aber für das Thema, das wir hier diskutieren - Umgang mit Medien, Umgang mit Öffentlichkeit - bringt das nun eben Schwierigkeiten. Viele Grüße Diane

Hallo in die Runde, heute (28.7.04) lief in SWR2 Wissen ein Feature über die Nasca-Linien. Ich finde erstens, dass das Feature super gemacht war. Vor allem aber haben die Wissenschaftler, die darin zur Sprache kommen, richtig gut erklärt, was sie da tun. Wer das Feature anhören möchte oder das Manuskript lesen: Es ist komplett dort zu finden: http://www.swr.de/swr2/sendungen/wissen-aula/archiv/2004/07/28/index.html Und hoffentlich meckert nu nicht gleich wieder jemand, das sei ja im fernen Amerika und da könnten die Archäologen hier nicht mithalten. Man kann auch sagen: kein Gold, keine geopferten Jungfrauen, sondern irgendwelche Linien in karger Wüste. Die Archäologen sind - glaube ich - aus Würzburg. Das alles war jedenfalls meiner Kollegin und deren Vorgesetzten 27 Sendeminuten wert. Viele Grüße Diane

Liebe Diane, und was gibt es Neues zu den Linien von Nazca? Wozu stellen sich Menschen einer Kultur hin, um Kilometerlange Linien in den Boden zu ritzen? Sicherlich ist das Thema sehr interessant, aber werden die Archäologen jemals die “Wahrheit” herausfinden?

In diesem Thread geht es nicht darum, was es Neues in der Archäologie gibt. Es geht darum, wie Massenmedien über archäologische Themen berichten. Die Sendestrecke SWR2 Wissen ist mit Features bestückt, die nicht notwendigerweise am aktuellen Geschehen orientiert sind. Die lange Produktionszeit eines solchen Features würde das auch kaum möglich machen. Diane

Hallo Diane, ich kam leider erst heute dazu, mir den Beitrag anzuhören. Kompliment an Deine Kollegin. Hier wird die Spannung genau auf zwei Ebenen gehalten: was hat sich in der Vergangenheit abgespielt und wie erhalten wir Informationen darüber. Lebendig wird das Ganze dadurch, dass Deine Kollegin uns mit aufs Feld nimmt, das Vogelzwitschern, die warmen Kirschen … Mir gefällt besonders gut, wie der interdisziplinäre Ansatz verständlich und überhaupt nicht dröge rüberkommt, und dass der Zusammenhang mit der Umweltveränderung hergestellt wird. Wenn Ihr wieder mal so eine Sendung macht,lasst es uns bitte wissen. Gruß. Arne