Zeitweise den Mut verloren meinen Traum zu verwirklichen

Hallo,

ich bin neu hier angemeldet, obwohl schon seit längerem Mitleser. Habe mich nun doch entschlossen mein Anliegen hier mal niederzuschreiben, obwohl einige Vorgänger schon ähnliche Anliegen hatten. Denn möglicherweise hat dieses Forum mich dazu bewegt meinen Traum aufzugeben. Was bitte nicht als Vorwurf zu verstehen ist, sofern es der Realität entspricht.

Folgende Situation: Ich bin Mitte 20 und nach Abitur, abgebrochener Ausbildung und 4,5 Jahren “durch die Welt gereise” hatte ich mich eigentlich fest entschlossen meinen Traum vom Archäologie Studium zu verwirklichen. Ich hatte vor 7 JAhren eine Ausbildung angefangen, da ich auf mein Umfeld gehört habe “ich solle doch was Vernünftiges anfangen”. Ich war aber todunglücklich in dem Beruf und habe mich damals unreif und nicht im Stande gefühlt die Ausbildung (Kaufmännischer Beruf) durchzuziehen. Ich wollte mir ein Jahr Reisen gönnen um meinen Kopf frei zu kriegen, was ich wirklich möchte im Leben. Darauf wurden dann 4,5 Jahre. Nunhatte  ich mich (bis vor wenigen Tagen) dazu entschlossen meinem Traum nachzugeben und Archäologe zu werden. Insbesondere die UFG in Kombi mit Naturwissenschaften(speziell Biowissenschaften/Evolution) hat es mir angetan. Ich habe mir da auch schon Unis rausgesucht die genau meinen Interessen u. Fähigkeiten entsprechen. Jena, Kiel (jeweils Bio als Nebenfach) oder Tübingen (Naturw.Arch oder Paläoanthr.). 

Das ich als Archäologie wohl niemals in einer Penthouse Wohnung wohen werde oder wie Indiana Jones oder Lara Croft durch den Dschungel schwinge ist mir immer bewusst gewesen. Auch das die Jobaussichten insgesamt nicht so rosig sind ist mir klar und das es viele Entbehrungen geben würde. DAs alles war mir stets bewusst und störte mich nicht, ich war irgendwie schon immer ein Nomade. Habe es eh nie länger als max. 2Jahre ausgehalten und auch meine Freundeskreise wechseln ständig. Bin also eh nicht sonderlich bodenständig.

Nur: Nach einigem Lesen in dem Forum hier, bemerke ich wie (nahezu) ausschliesslich extrem negativ über das Berfufsfeld geschrieben wird, fast jedem “Neuen” wird abgeraten vom Studium. Ich lese im Bereich “Studium” hier wirklich kaum bis wirklich garnichts Freudiges oder Positives. 

Meine Frage(n) nun: ist es wirklich so aussichtslos und schlimm? Selbst als exzellenter Doktorant kaum Perspektiven? Im Sommer mit Glück mal ne Ausgrabung in Ägypten, den Rest des Jahres Hartz 4 und 1 Zimmer Wohnung in Plattenbau? Neid auf jeden Facharbeiter und Normalverdiener? Jobs nur mit guten Beziehungen?

 Inwieweit spricht dieses Forum der Realität? Ich kenne leider persönlich absolut niemanden im Bereich Archäologie, habe keine Akademiker in der Familie und keine finanziellen Rücklagen und wie beschrieben keine Ausbildung. Das Einzige was ich habe, ist echtes Interesse und Neugier und eine etwas unkonventionelle Sicht der Dinge. Nachdem ich in diesem Forum gelesen habe, bin ich kurz davor mich doch für ein Biotechnologie Studium stattdessen einzuschreiben. Immerhin mein Zweit Interesse die Biologie, wenn auch nicht mein Traum. Aber SChlüsseltechologie und Zukunftsweisend und so. 

ICh bin wirklich etwas ratlos und entmutigt bis enttäuscht. Würde gerne ehrliche Meinungen , von wenn möglich “echten” Archäologen hören. :slight_smile:

Liebe Grüße

Naja, du willst doch hören: “Man schafft das schon!” / “So schlimm ist es nicht.” etc.

Es wäre aber unverantwortlich das zu behaupten. Ich habe mit ca. 25 weiteren Studenten im 1. Semster angefangen. Davon sind (mich eingerechnet) 2 Archäologen geworden. Bei meinem Doktorvater haben bisher 11 Leute promoviert, auch davon haben nur 2 (mich eingerechnet) einen Job als Archäologen. Beide haben nur befristete Verträge.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Abschluss nicht schafft ist relativ hoch. Die Wahrscheinlichkeit die Diss. zu schmeißen ist auch nicht gerade gering. Einen Job im Bereich der Archäologie zu finden ist hingegen sehr unwahrscheinlich.

Auf meine vorherige Stelle haben sich 83 Leute beworben, davon waren knapp 40 qualifiziert für die Stelle.  So sieht das jedesmal aus. Das ist einfach die Realität.

Es gibt auch noch andere Studiengänge die eher Naturwissenschaftlich sind aber durchaus die Möglichkeit eröffnen in einem archäologischen Themengebiet zu arbeiten. Spontan würde mir da jetzt Archäometrie (Mineralogie) einfallen.

Vielleicht solltest du mal versuchen, dich von dem reinen Archäologiestudium zu lösen und die anderen Berufe in dem Gebiet unter die Lupe nehmen. Die Arbeit in der Archäologie wird auch zunehmend interdisziplinär aufgebaut und vielleicht ist ja etwas dabei das auch deinen Interessen entspricht und gleichzeitig zukunftssicherer ist.

Es gibt auch noch andere Studiengänge die eher Naturwissenschaftlich sind aber durchaus die Möglichkeit eröffnen in einem archäologischen Themengebiet zu arbeiten. Spontan würde mir da jetzt Archäometrie (Mineralogie) einfallen.

Vielleicht solltest du mal versuchen, dich von dem reinen Archäologiestudium zu lösen und die anderen Berufe in dem Gebiet unter die Lupe nehmen. Die Arbeit in der Archäologie wird auch zunehmend interdisziplinär aufgebaut und vielleicht ist ja etwas dabei das auch deinen Interessen entspricht und gleichzeitig zukunftssicherer ist.

eine gute Freundin hatte ein sehr ähnliches Problem wie du und lange lange hin und her überlegt. Fest steht, dass man kompromissbereit sein muss. Die Ansprache mit der Interdisziplinarität ist schon richtig, vor allem wird wohl Promotion in Verbindung mit dem Studium von vielen in Betracht gezogen.

Einen realistischen Überblick über die Stellen- und Beschäftigungssituation, die üblichen Gehälter, die Demographie in den Ämtern etc. gibt eine europäische Studie namens DISCO: Discovering the Archaeologists of Europe. Komplett online, hier die Studie zu Deutschland: http://www.discovering-archaeologists.eu/germany.html In mancherlei Aspekten ist die ältere Studie (2006-2008) wahrer als die jüngere Studie (2012-14).

Ebenfalls lesenswert dürfte sein die Aufsatzfolge zum Thema “Archäologie als Beruf” in der Zeitschrift “Archäologische Informationen” (Open Access, komplett frei zugänglich) im Band 2007(2): http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/arch-inf/issue/view/1348/showToc Eine Umfrage plus einige Einzelschicksale (mit Nachtrag in Band 2008).

Das zusammen ist “objektives” Material, jenseits der zufälligen (wertvollen!) persönlichen Rückmeldungen, die man einsammeln kann. Ich fürchte nur, dass trotz all dieser Grundlage am Ende eine ganz persönliche Entscheidung zu treffen bleibt: wann lebe ich meinen Traum? Als wohlhabender Rentner oder jetzt? Bin ich der Typ “no risk, no fun”?

Herzliche Grüße!

Man kann ja immer noch zum Lehramt als Quereinsteiger Kunstgeschichte umsteigen…Für die Oberstufe wird immer Kunstgeschichte gesfragt fürs Gymnasium.