Unna als optimaler Standort für das römische Kastell Aliso

Ich hoffe das theoretische Thema interessiert, zumindest Kurti fragte danach.

Wo lag das römische Kastell Aliso? Oftmals werden hierfür Standorte an der Lippe wie Halten und Anreppen andiskutiert, die LWL Archäologie hat ja mittlerweile auch entschieden dass es Haltern war:

M. E. macht aber ein Standort an der Lippe militärisch wenig Sinn und wirtschaftlich keinen Sinn.

Richtig ist dass römische Kastelle oft an Flüssen lagen, wie z. B. Novaesium oder Vetera am Rhein. Zur Zeit des Baus dieser Kastelle war der Rhein aber ein Grenzfluss der durch diese Kastelle strategisch gesichert werden sollte. Die Lippe war aber nie ein Grenzfluss, und zur Zeit des Baus von Aliso im 1. Jahrzehnt n. Chr. lag sie in einem von den Römern schon sehr gut kontrollierten Gebiet. Eine kleine Flottenstation um Präsenz zu zeigen reichte da aus, ein Flottenstützpunkt war ja auch in Haltern.

Militärisch wichtig zu dieser Zeit war die weitere Festigung der römischen Kontrolle über die westfälische Bucht und insbesondere über die fruchtbare Hellwegbörde. Dazu war ein Standort irgendwo mitten in Westfalen geeignet, besonders geeignet demnach auch ein Standort mitten in der Hellwegbörde. Allerdings musste Aliso auch von Novaesium und Vetera aus gut erreichbar sein falls es mal Ärger gab, ein Ort in der Hellwegbörde wo sich Wege aus Novaesium und Vetera kreuzten war als militärisch optimal.

In erster Linie musste ein Kastell militärischen/strategischen Anforderungen genügen, es musste aber auch wirtschaftlich sein. Die Baukosten dürften überall in Germanien gleich gewesen sein, vielleicht wäre der Bau eines Lages direkt an der Lippe etwas kostengünstiger gewesen wenn es galt schwere Bauteile vom Rhein dorthin zu transportieren. Die weitaus höheren Kosten verursacht das Kastell jedoch in der Betriebsphase, die Betriebskosten galt es also zu minimieren. Den höchsten Anteil an den Betriebskosten verursachte der Nachschub, insbesondere der mit Lebensmitteln. Da diese in Westfalen hauptsächlich in der fruchtbaren Hellwegbörde produziert wurde war es wirtschaftlich sinnvoll, Aliso so nah wie möglich an den landwirtschaftlichen Produktionsstätten zu errichten, um die Transportkosten für den Lebensmittelnachschub zu minimieren.

Unter wirtschaftlichen Aspekten wäre der Bau von Aliso mitten in der Hellwegbörde, z. B. bei Erwitte, sinnvoll gewesen, die militärische Anforderung der Erreichbarkeit von Novaesium/Neus und Vetera/Xanten mit berücksichtigend haben sich die Römer für Unna als Standort enzschieden.

@Tirggel
Deine Argumente für ein Aliso in Unna und gegen ein solches an der Lippe sind nun wirklich auf eigenen Wunsch maßgeschneidert. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Die Lippe war sicher kein Grenzfluß und Aliso wird auch deshalb nicht dort vermutet sondern weil es ein “Versorgungsfluß” für die “Marsch-und Standlager” im noch unbefriedeten Germanien war.
Für Unna spricht nichts, denn was Du als Beweggründe für ein Kastell dort aufzählst hätte man von der Lippe aus auch machen können. Das Marschlager (?) Kneblinghausen war möglicherweise eines von mehreren noch unentdeckten am “Frankfurterweg” (Via Regia) und liegt ja auch nicht weit vom “Westfälischen-Hellweg”. Nachweislich stammt es, entsprechend der Datierung der von ihm überlagerten Germanensiedlung, aus der Zeit nach der Zeitenwende. Sicher wird es in Magna Germania noch viele unentdeckten Kastelle und Marschlager geben, aber bisher gibt es keine Hinweise für ein Kastell in Unna. K:-)

Du weißt ja zwischenzeitlich selbst wie fragwürdig Deine Hinweise auf ein solchen durch die Straßenführung in Unna sind. (siehe Diskussion im Geschichtsforum) :innocent:
Noch ein Wort zu Deinen Namensdeutungen. Deine Örtlichkeit “Romecke” hat nichts mit “Ecke” als Bezeichnung eines Ortsteils zu tun sondern kann man bei Bachnamen wiederfinden. Es gibt, wie der bei Kneblinghausen, drei Bäche mit dem Namen “Romecke”.
Ortsnamen mit dem Suffix “ecke” sind auf Siedlungen an einem Bach oder Quelle zurückzuführen. Ein Stück weiter gibt es noch die “Dümecke”, die ebenfalls in die Möhne fließt. Orte mit der Endung “- bek, beke,becke, beck” und manchmal “-bik, bike” usw. sind eindeutig “Orte am Bach.”
Schön zu verfolgen bei Lübbecke:
_ „Lidbach", „Hlidbeki" 775; „Lippeke" 1033; „Litbeke" 1150; „Lutbeke" 1203; „Libbeke" 1221; „Lutbike" 1227; „Lubbeche" 1233; „Lubbeke" 1269; „Lutbeke" 1276; „Lubecke" 1293; Libbecke (1440); Lübbecke (1524)._
Das “-ecke, eke” usw. könnte demnach eine sprachliche Verkürzung von “-becke” sein.
Dein “Welschenbeck” hieß ursprünglich " Belskenbike" und geht offensichtlich auf den “Bel-ecker Bach” zurück.
Ebenfalls hat “Drewe” ( Rüthen) nichts mit den “Treverern” als Hilfstruppen der Römer zu tun.
Es gibt z.Bsp. ein “Drewer” bei Marl und dazu heißt es bei Wikipedia:

_ ZITAT:"Dort ist die Ansiedlung unter dem Namen „Threviri“ verzeichnet. Der Name soll so viel wie „Drei Häuser“ bedeuten. Der Ortsname verändert sich in späteren Jahrhunderten über „De Trivere“ in „Drevere“ bis zur heutigen Schreibweise.Bereits in Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts wird die Gegend als Bauerschaft bezeichnet, deren Hauptgut sich in der Nähe der heutigen Kirche St.Heinrich befand. Die Familie, die dieses Gut bewirtschaftete, wurde im Laufe der Zeit auch Familie Drewer genannt. " ENDE _

Anmerkung: “Drewer ( Marl)” läßt sich nicht verlinken, aber mit zuvor angegebenem Suchwort finden.

Bezeichnenderweise hat Dein “Drewer” in Rüthen ein Wappen mit ** “drei Bauernhäuser”**

Die Namensdeutung von “drei” abgeleitet ist m.E. wahrscheinlicher als die andere Deutung abgeleitet von “Drift” = “Stömung, schnell sprudelndes Wasser” usw.

Gruß
Kurti

Hi Kurti,

du verneinst also dass der Standort Unna strategische als auch wirtschaftliche Anforderungen an einen langfristigen Standort für ein römischen Kastell gut erfüllt hätte?

Des Weiteren verneinst du, dass die im beigefügten Bild (“Überlagerung des östlichen Teils des Legionslagers durch das sich um den Platz vor dem Osttor / Marktplatz herum entwickelnde Unna”) dargestellten Strukturen das Graben-Wall System eines römischen Lagers abbilden?

Du verneinst auch, dass sich heutige Straßen an Graben-Wall Systemen aus der Römerzeit orientieren? Die Straßenführung von Welzheimer Str. / Riedstr. exakt entlang des Limes wäre demnach ein Zufall?

Das mit den –ecke Ortsnamen muss ich dringend mal überarbeiten, das ist jetzt z. T. auch schon ein paar Jahre alt. Auch das mit den Rombergen.

Aber bei Drewer ist der Treveresgau zumindest auch nicht allzu weit entfernt: http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/content/pageview/1640640

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@ Tirggel

@Tirggel
du verneinst also dass der Standort Unna strategische als auch wirtschaftliche Anforderungen an einen langfristigen Standort für ein römischen Kastell gut erfüllt hätte?
Des Weiteren verneinst du, dass die im beigefügten Bild (“Überlagerung des östlichen Teils des Legionslagers durch das sich um den Platz vor dem Osttor / Marktplatz herum entwickelnde Unna”) dargestellten Strukturen das Graben-Wall System eines römischen Lagers abbilden?
Du verneinst auch, dass sich heutige Straßen an Graben-Wall Systemen aus der Römerzeit orientieren? Die Straßenführung von Welzheimer Str. / Riedstr. exakt entlang des Limes wäre demnach ein Zufall?

Nein, ich verneine nichts von dem, aber ich sehe auch nicht den geringsten Anhaltspunkt für Deine These.
Die Strassen die angeblich ein römisches Kastell abbilden befinden sich “außerhalb” vom ursprünglichen Unna. Normal wäre aber doch, dass sie die Stadtmauern des werdenden Unna gebildet hätten. Die angebliche Kastellform hat nichts, aber auch garnichts mit dem alten Unna gemein. Nicht mal eine Strasse oder Stadtmauer in der Verlängerung ist identisch.
Unna
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e1/Unna\_Bronzemodell\_IMGP0091.jpg

Erkläre doch mal auf einer der alten Karten die Du auf Deiner Seite abbildest wie die Stadtplaner auf den “Beethovenring” (Verlauf der ehemaligen Kastellmauer) kamen !? Du zeigst das nur am jetzigen Stadtplan, aber auf den alten Plänen ist davon nichts als Anhaltspunkt zu sehen.

Wie schon gesagt ist an der Lippe alles vorhanden was “Aliso” braucht und die Lage von z.Bsp. Haltern erfüllt alles womit Du Unna als Aliso begründest.

Was Welzheim und den Limes anbelangt so ist das kein Zufall sondern nachweisbar, aber für Dein Unna fehlt jeder Nachweis für ein Kastell, einen Limes oder eine Römerstrasse. Außerdem ist es etwas anderes ob Strassen entlang einer früheren Limesstrasse oder Römerstrasse führen oder Kastellmauern richtungsweisend sind.
Schau Dir die Karte von Welzheim an. Hier ist nicht mal ein Feldweg identisch mit den Kastellen und der Verbindungsstrasse. Wie sollte man da bei einer späteren Stadterweiterung Strassen auf den ehemaligen Fluchten verlegen ? Genau das ist auch in Unna auf den alten Karten nicht ersichtlich.

Welzheim
https://de.wikipedia.org/wiki/Kastelle\_von\_Welzheim#/media/File:ORL\_45\_tab\_01\_pic\_01\_Lageplan.jpg

Gruß
Kurti

Nein, nicht das Kastell war der Ursprung des heutigen Unna, sondern die Canabae, also die zivile Siedlung vor dem Legionslager. In dieser zivilen Siedlung lebten vielleicht auch einiger römische Bürger, hauptsächlich waren es aber germanische Händler oder Handwerker und eventuell auch Veteranen der Hilfstruppen die hier hauptsächlich aus Gallien kamen. Und nach dem Abzug der Römer wollten werder Germanen noch Kelten in den gruseligen Baracken des Legionslager wohnen, den Markplatz der sich als Teil der zivilen Siedlung vor dem Osttor des Legionslagers etabliert hatte wollten sie aber schon beibehalten. Und so wurde der Markplatz vor dem Osttor zum Mittelpunkt des sich aus der Canabae von Aliso entwickelnden Unna und ist es bis heute geblieben. Als Unna wuchs wurde dann irgendwann ins ehemalige Lager hineingebaut. Unna überlagerte den östlichen Teil des Legionslagers Aliso quasi.

Und wenn wir Aliso als Stadtgründung auffassen ist an der Lippe erst recht nicht alles vorhanden was Aliso braucht. Weil Rom an Kornlieferungen interessiert war (viel mehr gab es ja in Magna Germania nicht zu holen) wäre Aliso nämlich in erster Linie eine Ackerbürgerstadt gewesen, Veteranen der Legion oder der Auxiliartruppen, die nach dem Ende ihrer Dienstzeit Land erhalten hatten. Und diese Bauern wollten nicht die staunassen Gleyböden der Lippeniederung bearbeiten, sie wollten die Lössböden der Hellwegbörde bearbeiten, und sie wollten auch nicht stundenlang zu ihren Feldern laufen. Je mehr Aliso Stadt war, um so näher lag es in der Hellwegbörde, noch besser mittendrin.

Beigefügt der Beethovenring auf der Karte von 1840. Ich habe mal beim Bereich Straßen- und Verkehrswesen der Stadt Unna nachgefragt, niemand weiß wann der Vorläufer des heutigen Beethovenring entstanden ist. Der war irgendwie schon immer da.

@Tirggel

Du zeigst in der Karte ein winziges Stück Weg und da ansonsten nichts eingezeichnet ist darf man davon ausgehen, dass es keinen weiteren Weg, wie auch auf den anderen alten Plänen, gab. An diesem Wegstück konnte sich aber beim Bau der Ringstrasse bestimmt kein Stadtplaner mehr orientieren und die Form eines Römerkastells rekonstruieren. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Ich habe mal beim Bereich Straßen- und Verkehrswesen der Stadt Unna nachgefragt, niemand weiß wann der Vorläufer des heutigen Beethovenring entstanden ist. Der war irgendwie schon immer da.

Nun, dann schau mal auf die Karte von 1938, denn das war der Strassenverlauf und die Bebauung die der Planer vorfand als er in der Nachkriegszeit ( wann weiß ich nicht ) die jetzige Ringstrasse plante.

Ich habe mir erlaubt zwei Bilder von Deiner Seite hierhin zu übernehmen. :innocent:

Darauf sieht man, dass der Planer die Rundkurven eingebaut hat, um eine Ringstrasse für flüssigen Verkehr zu erhalten und nicht weil ihm ein fiktives Römerkastell das vorgab. Er hat auch oben und unten die Einfahrt in den alten Ring als Bogen ausgeführt, um besser in den Ring zu fahren. (Siehe angehängte Bilder)

Mal angenommen dort hätte wirklich ein Kastell mit Canabae gestanden, dann muß man sich doch fragen warum bei der Ausschachtung von Kellern, dem Verlegen einer Kanalisation usw. nicht ein einziger Hinweis auf einen römischen Bau gefunden wurde.

Weil Rom an Kornlieferungen interessiert war (viel mehr gab es ja in Magna Germania nicht zu holen) wäre Aliso nämlich in erster Linie eine Ackerbürgerstadt gewesen, Veteranen der Legion oder der Auxiliartruppen, die nach dem Ende ihrer Dienstzeit Land erhalten hatten. Und diese Bauern wollten nicht die staunassen Gleyböden …

Ich glaube kaum, dass sich in Magna Germania römische Veteranen zur Ruhe setzten !? Linksrheinisch durchaus, aber da war ja römisches Reich. Ansonsten gab es durchaus bei den Lagern an der Lippe die “kastellnahen” Germanensiedlungen mit offensichtlichem beidseitigem Warenaustausch.

Germanische Siedlung bei Anreppen:
http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input\_felder/langDatensatz\_ebene4.php?urlID=850&url\_tabelle=tab\_websegmente

Ein Aliso in Haltern und die sonstigen Lager an der Lippe hätten vollkommen gereicht, um auch in den Hellweg – Börden zu regeln was es zu regeln gab. Haltern war offensichtlich neben einem Militärstützpunkt ein solches Umschlags-u. Verwaltungslager.

Siehe Wikipedia unter Funktionen:

https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6merlager_Haltern

Wie dem auch sei, eine moderne Ringstrasse in Form eines Kastellteils mit Rundkurven die bei den vorherigen Strassen nicht da waren ist mir als Nachweis für ein ehemaliges Römerkastell zu dürftig.

Gruß

Kurti

Auch lesenswert im Bezug auf Canabae, denn hier wird oft zum zivilen Vicus usw. nicht unterschieden:

Auf der Karte von 1840 ist bestimmt nicht jeder noch so kleine Feldweg eingezeichnet.

Aber gut, lass es mich so zusammenfassen: nachdem ich mir unabhängig davon ob römische Funde zufällig irgendwo erhalten geblieben sind (wie bei vielen Römerlagern) oder zufällig nicht (wie bei Kneblinghausen, bis auf die eine Axt im Wall; wie viele Lager in denen zufällig nichts erhalten blieb gibt es noch?) überlegt hatte wo ein perfekter Standort für Aliso gewesen wäre, nämlich auf dem Gebiet des heutigen Unna, habe ich Karten von Unna auf Auffälligkeiten geprüft. Auf eine Karte von 1840 habe ich ein Teilstück des exakt Nord-Süd ausgerichteten Vorläufer des Beethovenrings gefunden, welches den exakt West-Ost ausgerichteten Vorläufer der Massener Straße somit im rechten Winkel kreuzt. Solche Konstellationen findet man mit diesen Ausmaßen 1840 bei keiner anderen westfälischen Stadt, diese Singularität muss jedoch als eine Verkettung von Zufällen gewertet werden. Einverstanden?

@Tirggel

diese Singularität muss jedoch als eine Verkettung von Zufällen gewertet werden. Einverstanden?

Aber ja doch! :smiley:

Übrigens, so hättest Du die Römer schneller und schriftlich belegt überall stationieren können! :innocent:

http://www.stiftung-laupendahl.de/13_roemersiedlung.htm

Offensichtlich hat in Laupendahl noch nie einer was von der lateinischen Sprache in Urkunden und klösterlichen Arbeiten vom Früh-Spätmittelalter gehört. Kirchliche Urkunden wurden auch weiterhin noch in Latein geschrieben. Man hätte auch den ORBIS LATINUS anführen können, um die römische Gründung von Orten zu dokumentieren. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Gruß

Kurti