Frage zur Identifikation paläolithischer Artefakte

Hi Ihr,

ich benötige ein paar Informationen zur Identifikation paläolithischer Artefakte. Und zwar gibt es anscheinend Merkmale, die für die Herstellung von Steinwerkzeugen charakteristisch sind und es ermöglichen, Geofakte von Artefakten zu unterscheiden. Immer wieder genannt werden z.B.:
 

  1. Bulbus

  2. Schlagnarbe

  3. Wallnerlinien

  4. Lanzettbrüche usw.

 

Nun gibt es ein kleines Problem: Ein Mensch namens Michael Brandt, der den alten “Eolithenstreit” wieder aufwärmen möchte, behauptet, dass zahlreiche Steine aus dem Tertiär (die sind ca. 5 - 59 Mio. Jahre alt) eindeutige Artefaktmerkmale aufweisen würden.

http://www.vergessene-archaeologie.info/

Er präsentiert hierzu auch erstklassige Bilder, z.B. hier:

http://www.vergessene-archaeologie.info/seite410.html

und dort:

http://www.vergessene-archaeologie.info/seite409.html

Natürlich würde die Einordnung dieser Eolithe als Artefakte all unsere Erkenntnisse über die evolutionäre Hominisation über den Haufen werfen. Somit bleibt die Frage, ob die o.g. Kriterien tatsächlich hinreichend für die Artefakt-Identifikation sind.

Was ist Eure Meinung dazu? Kennt sich jemand mit diesen Eolithen aus, und wie würdet Ihr die abgebildeten Steine dort einstufen?

Danke schonmal im Voraus, und viele Grüße

E.S.

[…]

  1. Bulbus

  2. Schlagnarbe

  3. Wallnerlinien

  4. Lanzettbrüche usw.

[…]

Somit bleibt die Frage, ob die o.g. Kriterien tatsächlich hinreichend für die Artefakt-Identifikation sind.

Moin E.S.,

wenn es so einfach wäre. Ich denke es reicht nicht immer aus.

Alle die von Dir genannten Merkmale sind durch Schlag oder Druck entstanden und können sowohl mit Absicht vom Menschen, als auch durch natürliche Prozesse ähnlich entstehen.

Zugegeben, wenn sich an einem Objekt Bulbus, Schlagflächenrest, Wallnerlinien und zudem noch Retuschen befinden, dann spielt die Natur mal wieder ihr Spielchen mit uns.

Zum anderen möchte ich erwähnen, dass die genannten Merkmale es zwar erleichtern ein Fundobjekt zu bestimmen, jedoch muss man wissen, dass sie nicht zwingend erforderlich für ein Artefakt sind.

Gruß

Jürgen

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@El Segundo

Nach dem Dir hier ein “Experte” Auskunft über die Merkmale gegeben hat und wohl klar geworden ist, dass sich das Problem darüber wohl kaum lösen läßt, möchte ich als “Nichtexperte” die Sache von einem anderen Aspekt her beleuchten.

Du hast ihn schon angeschnitten:

@El Segundo schrieb:

Natürlich würde die Einordnung dieser Eolithe als Artefakte all unsere Erkenntnisse über die evolutionäre Hominisation über den Haufen werfen.

Man kann also darüber streiten ob “Bearbeitungspuren” durch den Menschen oder Zufall der Natur durch Frost, Hitze, Abscherung, Druck usw. entstanden sind. Oft hilft der Fundkontext hier mit hoher Wahrscheinlichkeit Klarheit zu schaffen und das scheint mir wichtig im Bezug auf Eolithen. Mir ist nicht bekannt, dass von diesen Dingern mal eine “Werkstatt”, ein “Depot” gefunden wurde oder Anhäufungen im Zusammenhang mit “Wohnstätten” im weitesten Sinne. Solange man Eolithen wenigstens noch mit der “Anwesenheit” von “Hominiden” zeitlich in Einklang bringen kann wäre ja noch eine Bestimmung als “dürftig” bearbeites oder “zufällig brauchbares” Werkzeug gegeben.

Der wesentliche Punkt ist m.E., dass M.Brandt einen solchen Kontext für die zigmillionen Jahre alten Dinger bis hin zu den Dinosauriern nicht herstellen kann. Oder wurde in den entsprechenden Schichten schon mal ein “hominider” Knochen gefunden? Solange mir keiner der Verfechter dieser Theorie das nachweisen kann tippe ich bei sogen. “Eolithen” auf “Geofakte” mit “zufälligen” Merkmalen einer Bearbeitung.

Zu den zwei verlinkten Bildseiten wäre noch zu sagen, dass bei der ersten die Zeichnung (mit Bearbeitungsspuren ? ) ja gewaltig von den Fotos abweicht. Das zweite Bild läßt nun bis auf die Form nichts von einem “bearbeiteten” Schaber erkennen. =:-O

Das, die bescheidene Ansicht eines “Nichtexperten” ! :smiley:

Gruß

Kurti

Vielleicht noch etwas zur Einordnung des Buches. Das Buch ist über die Studiengemeinschaft Wort und Wissen zu beziehen. Dies ist ein Verein, der christliches Gedankengut evangelikaler Prägung verbreitet (Vgl. Kreationismus). Ziel der Studiengemeinschaft ist es die auf der Bibel gegründete Schöpfungslehre den Aussagen der Evolutionslehre gegenüberzustellen. Fachwissenschaftler beschäftigen sich gar nicht mit den Thesen, welche von der Studiengemeinschaft vertreten werden, da sie einer fachwissenschaftlichen und/oder methodologischen Untersuchung nicht standhalten.

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Hi Ihr,

vielen Dank für Eure Einschätzungen! Mir ist ‘Wort und Wissen’ schon lange bekannt, ebenso ihr weltanschaulicher Hintergrund. Die Frage ist nur, ob das an den Mustern etwas ändert. Deshalb wäre ich dankbar, wenn Ihr Euch ein paar von den verlinkten Bildern etwas genauer ansehen und schreiben würdet, ob Ihr diese typischen Artefakt-Muster dort entdecken könnt.

Grüße, E.S.

 

 

 

@ El Segundo

@Kurti hat schon eine Einschätzung abgegeben und zur Allgemeinen Problematik hat @StoneMan auch schon etwas geschrieben. Die von dir verlinkten Bilder zeigen meiner Meinung nach keine menschlichen Artefakte! Die “Umzeichnung” auf Seite 410 zeigt, auch da gebe ich Kurti recht nicht den Abgebildeten Stein. Seite 409 lässt mich grübeln, wie man da auf ein menschliches Artefakt kommt…

Wie ich auch schon geschrieben habe, lassen sich die Theorien in dem Buch nicht wissenschaftlich Belegen und entsprechen weder dem heutigen Stand der Forschung noch sind sie nach fachlichen Kriterien sauber erarbeitet.

Wenn Du ein wissenschaftliches Buch lesen möchtest, dann kann ich dir empfehlen: J. Hahn, Erkennen und Bestimmen von Stein-und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie (Tübingen 1993)

Die freundlichen Unibibliothek in deiner Nähe dürfte das Buch haben.