Ehrenamt auf der Grabung

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Es geht hier laut Threadthema konkret um das Ehrenamt auf Grabungen. Soviel ist hoffentlich klargestellt.

eh, charly2008, hast du meinen post und die von p-b- nicht gelesen? da steht drin, wie sie schaden…:wink:

Gerne konkretisiere ich das: 1. Ehrenamtliche helfen den staatlichen Trägern über den Personalmangel hinweg zu täuschen. Anstatt realistische Kampagnenziele auszuschreiben, werden nicht oder schlecht ausgebildete Ehrenamtliche genutzt. Die Studenten oder Fachkräfte, die diejenigen im Schnellverfahren ausbilden, werden dann nach kurzer Zeit entlassen. Es sollte selbstverständlich sein, dass man für seine Arbeit bezahlt wird, aber wenn Leute deine Arbeit umsonst machen, ist glaube ich für Jeden absehbar was passiert. 2. Eine einmal schlecht durchgeführte Dokumentation ist nicht reversibel. Auch wenn man eine Einführung oder zwei Wochen Ausbildung erhält, genügt das nicht. In einem Foto vom LWL zeichnet ein Ehrenamtlicher…da rollen sich mir die Nägel auf. Ein Student kriegt meiner Erfahrung nach erst nach frühstens 8 Wochen durchgängiger Arbeit Papier und Stift und dann steht noch einer dahinter und guckt. Gerade Amateure produzieren gerne die Klassiker: Sich im Schnitt umdrehen und das Zeichenbrett aber nicht drehen etc. Vor allem Punkt 1 passt in unsere gesamten gesellschaftlichen Debatten: Sparen, aber dasselbe leisten. Die Nutzung Ehrenamtlicher verknappt den Stellenmarkt für Archäologen weiter. Viele Menschen möchten gerne mal Archäologen sein (Hätte ich nicht Medizin studiert, wäre ich Archäologe geworden!), aber es gibt Menschen die müssen davon Leben und ihre Familien ernähren. Für die ist das kein Abenteuerurlaub, sondern die stehen in Notgrabungen bis zu den Knien im Wasser und hinter ihnen röhrt der Bagger, der eine Trasse ausheben will. Ehrenamtliche vernichten unsere Stellen.

Hallo p.b., auch wenn ich den Frust und was Du sonst noch geschrieben hast, ganz gut verstehen kann, darf man das hier: Zitat p.b.: " Ehrenamtliche vernichten unsere Stellen. " KEINESFALLS so stehen lassen. Es sind nicht die Ehrenamtlichen, die Eure Stellen vernichten, sondern Verwaltung, Organisation und Finanzer … :-" Wenn man vor fragwürdigen Dingen steht, sollte man immer zuerst fragen: Wem nutzt das? Und warum? Was ist der Zweck? Dann ist man meistens schon sehr schnell schlauer als zuvor … 8) Gruß Paulus7 :innocent:

Willkommen in der Realität der freien Marktwirtschaft. Es funktioniert so halbwegs. Nur nennt es sich in der freien Marktwirtschaft statt “Ehrenamtlicher” dann “Leiharbeiter”. Aber vom Prinzip her ist´s das Gleiche. Die gleiche Arbeit wie die “Festangestellten” aber logischerweise für weniger Geld bzw. umsonst und das Stammpersonal wird im Lauf der Zeit kräftig abgebaut und durch die “austauschbaren” Leiharbeiter ersetzt. Das Problem ist also nicht nur in der Archäologie zu finden.

@Paulus: natürlich sind es auch jene, die nur die ehrenamtlichen nehmen und riesenprojekte planen(wie hier in Haltern, und darum gehts ja auch hier), ohne dass sie sinnvoll sind, falsche zeitpläne aufstellen und dann eben nicht mehr zahlen können…aber dadurch, dass es erst das riesenangebot derer gibt, die genug geld haben, oder rentner sind und damit gar nicht auf das geld angewiesen sind, kann man überhaupt erst so arbeiten…wenn dann noch menschen bereit sind, fürs graben sogar zu bezahlen (was mal mega schwachsinnig ist)…klar dass die “obrigkeit” dann diese leute nimmt…das ist wie Plastikschubkarren für ne grabung zu kaufen, weil die günstiger sind…dass man am ende jeden tag ne neue kaufen muss, weil die dinger dauernd kaputt gehen und am ende das 10 fache bezahlt, daran denken die verwaltungsmenschen natürlich nicht… Natürlich würde auch eine Mauererfirma gerne mit kostenlosen arbeitern arbeiten…da meldet sich aber niemand, der schon immer mal maurern wollte :smiley:

Hallo p.b., Zu 1. Ich kann nur von meinen Erfahrungen bei unserem Denkmalamt berichten. Dort gibt es eine Archäologin, die zugleich die Leiterin des Amtes ist. Für die Grabungen, im gesamten Stadtgebiet, stehen vier Grabungstechniker zur Verfügung. Was für die Notgrabungen kaum ausreicht. Bei größeren Notgrabungen wurden bei Bedarf Hilfskräfte von einer Baufirma zusätzlich, für die Knochenarbeit, ausgeliehen. Das war zum Beispiel der Fall als in einem größeren Neubaugebiet gegraben wurde. Der Grabungstechniker mit dem ich arbeiten durfte war selbst erst ein Jahr beim Denkmalamt festangestellt für 1700 € brutto und das auch nur weil ein Mitarbeiter aus Altersgründen ausschied. Vorher war er jahrelang als Freiberuflicher beim Landesdenkmalamt tätig. Das Amt wirbt nicht um ehrenamtliche und beschäftigt auch keine, höchstens Hilfskräfte. Studenten habe ich auch nie gesehen obwohl unsere Uni eine archäologische Fakultät hat. Das ich da mitmachen durfte war eher die Ausnahme. Zu 2. Die Dokumentation erfolgte ausschließlich durch den Grabungstechniker. Bei den kurzfristigen Grabungen wird größtenteils auch nichts mehr gezeichnet, sondern aus Zeitmangel nur noch mit Fotos dokumentiert. Bei einer länger dauernden Grabung durfte ich auch mal zeichnen, das diente aber nicht der offiziellen Dokumention das war eher eine Übung für mich. Ich nahm auch an Grabungen im Land teil, das waren aber Grabungen die am Wochenende stattfanden und zu denen ehrenamtliche, vom Landesdenkmalamt explizit eingeladen wurden, das war dann so was wie ein Tag der offenen Tür. Dort wurde dann zusammen mit Studenten, unter Aufsicht der Kreisarchäologen, gegraben. Die Feinarbeiten wurden von den wenigen Archäologen und angehenden Archäologen gemacht. Zitat p.b. “Vor allem Punkt 1 passt in unsere gesamten gesellschaftlichen Debatten: Sparen, aber dasselbe leisten.” Da gebe ich dir vollkommen recht, das ist das Hauptproblem. In der Behörde ist gar nicht genug Personal vorhanden um z. B. die ganzen Funde auszuwerten. Diese Auswertungen werden größtenteils durch die Archäologen im Landesdenkmalamt und in unserem Archäologischen Museum gemacht. Karlheinz

die auswertungen werden oft gar nicht gemacht, oder jahrzehnte später…oder von studenten als abschlussarbeiten, die dann aber teilweise(im regelfall sogar, glaub ich) gar nicht veröffentlicht werden…finde den fehler :wink: es wäre im übrigen deutlich günister, mit studenten zu arbeiten, denen man 8-12 euro pro stunde mit werkvertrag bezahlt, als sich arbeiter der baufirma zu leihen, die kosten nämlich deutlich mehr…wundert mich ein wenig, dass das landesamt das bei dir noch nicht mitgekriegt hat…

Hallo Pygmalion,

Die Leute der Baufirma sind sicher teuerer aber man kann sie schnell anfordern und wieder loswerden. “Mitarbeiter auf Dauer einzustellen ist noch teuerer”. In den Zeiten klammer Kassen wird gerade hier gespart. “Damit kann kein Geld verdient werden sondern kostet nur”. “Es gibt wichtigere Dinge”. Außerdem kann man diese Grabungen schwer vorausplanen weil im voraus kaum abzusehen ist welcher Zeitaufwand notwendig sein wird, weil dies auch von den Funden abhängt. Das Landesdenkmalamt ist zwar die oberste Denkmalbehörde aber diese hat wenig Einfluss auf das Budget und den Stellenplan, denn das wird vom Dezernat des Stadtplanungsamts und damit von der Stadtverwaltung festgelegt. Und zudem ist das Denkmalamt nicht nur für die Stadtarchäologie zuständig sondern auch für den Baudenkmalschutz. Nach meiner Kenntnis sind jetzt im Denkmalamt insgesamt 14 Personen tätig. Noch eine kleine Anmerkung: Scherbenfunde werden, sofern nicht besonders herausragend, von einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin gereinigt und zusammengeklebt. Karlheinz

Also das ist unsinn, ich arbeite selbst öfter auf ausgrabungen, die auch mal nur einen tag dauern…da wird man von der entsprechenden person, die das ausgräbt, angerufen: “hast du morgen zeit?” man muss eben einen pool von studenten haben, die man anrufen kann, dann ist das auch variabel planbar…übern werkvertrag wird man ja auch nur für das entsprechende werk, also die besondere grabung angestellt und nix weiter… in städten kann man schon absehen, wieviel zeitaufwand das benötigt…vor allem in altstadtkernen, zumindest grob und der zeitplan richtet sich ohnehin ja meistens nach den baufirmen, nicht andersrum…wenn man also einen tag zeit hat, etwas zu graben und zu dokumentieren, holt man entsprechend mehr leute…

Hallo Pygmalion, vielen Dank für deine freundliche Antwort. vielleicht wird das ja in deinem Kreis oder Stadt besser gehandhabt. Mir sind auch Ämter im Umland bekannt die sich Pools mit Studenten und ehrenamtlichen Mitarbeitern halten um im Bedarfsfalle darauf zurückgreifen zu können. Gruß Karlheinz

Ich kenne einige ehrenamtliche Autodidakten die vorbildlich dokumentieren können und in der Geländearbeit vielen Fachwissenschaftlern voraus sind. Auf Lehrgrabungen habe ich hingegen schon Studenten gesehen, die den Beruf vollendes verfehlt haben. Die an der Uni vermittelte fachliche Kompetenz lässt -um es vorsichtig zu formulieren- schon zu wünschen übrig. Feldarbeit kommt vollkommen ohne Wissenschaftler aus! Schönen Abend

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Hallo, natürlich zerstören nicht die Ehrenamtlichen unsere Stellen. Auch das LWL kann da nur bedingt was für. Die haben Budgets und Vorgaben. Ein gutes Mittel wäre einfach realistische Grabungsziele auszuschreiben und Studentenpools (etwas das ich auch kenne) anzulegen. Die Kassen sind leer. Das ist klar, doch dann muss man vermitteln, dass einfach nicht Alles leistbar ist. Dann findet einfach keine Notgrabung statt. Punkt, Ende, Aus. Für Ehrenamtliche im Ausland habe ich überhaupt kein Verständnis. Da werden Projektgelder eingespart, die vorhanden sind. Habe genug Projekte im Ausland mit gemacht. Es ist unseriös in Griechenland, Spanien oder Italien mit Ehrenamtlichen zu arbeiten. Sobald Jemand für eine Grabungsteilnahme Geld bezahlt, ist es eine touristische Veranstaltung. Forschung, die sich bereichert…Zum Glück gibt es das kaum in Deutschland.

Hallo p.b., um Deine Aussagen verstehen zu können wäre es sinnvoll zu wissen welche Projekte waren das bei denen Du mitgearbeitet hast. Wer waren die Initiatoren dieser Projekte. Was ist das LWL? Ich weiß nicht ob ich Dich richtig verstanden habe! Willst Du damit sagen, dass ausländische Behörden oder Forschungsinstitutionen ihre “Ehrenamtlichen” gegen Bezahlung an Grabungen teilnehmen lassen? Du sagst, dass „die Forschung“, wer verbirgt sich hinter dieser Forschung, die sich daran bereichert indem sie Projektgelder, die vorhanden sind, einspart. Gruß Karlheinz

Hallo Karlheinz, LWL ist das Kürzel für Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dessen Archäologie-Abteilung ist das Denkmalamt in Nordrhein-Westfalen und somit zuständig für die dortigen Ausgrabungen.

Eher nicht »ihre Ehrenamtlichen«. Die gängige Bezeichnung dafür lautet »volunteers«, also Freiwillige d.h. Laien, die immer schon mal an einer Ausgrabung teilnehmen wollten und das quasi als Abenteuerurlaub buchen. Dafür zahlen sie etwas, wobei in dem Preis meist auch Unterkunft, Verpflegung und eine Vor-Ort-Betreuung z.T. mit Exkursionen und Vorträgen inbegriffen sind. Das gibt es häufiger in Israel und Nahen Osten, in den letzten Jahren aber auch in Österreich und Deutschland. Bei uns im Guide haben wir auch eine kleine Liste von Veranstaltern. Da die Frage, wie man selbst an Grabungen teilnehmen kann, öfter aufkommt, haben wir auch dafür eine FAQ-Seite.

[quote=“charly2008”] wer verbirgt sich hinter dieser Forschung, die sich daran bereichert indem sie Projektgelder, die vorhanden sind, einspart.
[/quote]
So würde ich das nicht formulieren. »Bereichern« trifft die Sache wohl nicht wirklich. Wahrscheinlich könnte man es eher so bezeichnen: »Alternative Finanzierungsmöglichkeit für Projekte, die ansonsten keine oder nur wenige Fördermittel bekommen würden« (und deshalb vielleicht auch ohne diese Art der Finanzierung gar nicht stattfinden würden). Bei solchen Angeboten handelt es sich i.d.R. tatsächlich um Forschungsgrabungen, die also nicht »mit dem Bagger im Nacken« arbeiten müssen und somit etwas ruhiger angehen lassen können. Ob durch solchen »Abenteuer-Tourismus« wirklich Archäologen-Stellen wegrationalisiert werden, halte ich für fraglich bzw. ich glaube nicht, dass es ohne diesen mehr Jobs für Archäologen gäbe. Gruß

Hallo Andreas, danke für Deine ausführliche Erklärung. Gruß Karlheinz

Was passiert eigentlich mit den Objekten die im Zuge solcher Grabungsprojekte geborgen werden? Denkt jemand auch an “alternative Finanzierungsmöglichkeiten” für die notwendige Konservierung und Restaurierung? Oder übernehmen das dann auch die Archäologie-Touristen? Es gibt in den Landesämtern ja jetzt schon viel zu wenige Restauratoren für die Fundmassen die jedes Jahr bei Notgrabungen anfallen. Wer soll sich eigentlich um die zusätzlichen Objekte aus den “Lustgrabungen” kümmern?

Im ausland geborgene Objekte verlassen das Land nicht. Dafür ist das jeweilige Land zuständig. Dann hängt es von ab was für Ziele die jeweilige Ephorie, Sopraintendenz etc. im Zusammenhang mit der Grabung verfolgt. Meist ist es so, dass z.B. die deutschen Wissenschaftler die Objekte bearbeiten und dann landen diese im Depot.