Ehrenamt auf der Grabung

Hallo p.b. Winkelmann war - meines Wissens nach - Biblothekar und hat sich mit der Archäologie in seiner Freizeit beschäftigt. Jacques Boucher de Perthes war auch Hobbyarchäologe. Die Leute mögen andere Jobs für die sie bezahlt wurden. Mit der Archäologie haben sie sich in ihrer Freizeit (ohne vergütung) beschäftigt. Gern gebe ich meinen Irrtum zu wenn Du mir nachweist, dass mein Wissen falsch ist. Mit den besten Grüßen

Gut ich wiederhole: Gottlob Heyne hatte eine feste Anstellung als Forscher für Antikes, ebenso Mommsen. Bok war Kurator. Brugsch wurde staatlich gefördert, Friedländer war Professor genau wie Benndorf und W.A. Becker und Furtwängler. Dass die Archäologie damals noch Teil der Kunstgeschichte und Philologie war, ändert Nichts daran, dass diese Leute Geld zum Forschen über archäologische Hinterlassenschaften erhalten haben.

Hallo, ob eine Behörde oder sonstige Institution ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt liegt in deren Ermessen würde ich vermuten. Möglicherweise verhindern auch besondere Bestimmungen in Behörden und Ämtern (rechtliche, verwaltungstechnische) die Beschäftigung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Erfahrungen und Informationen zu diesem Thema wären sehr interessant. Karlheinz

Über diese grabung habe ich tolle sachen gehört… da waren durchaus studenten auf 400 euro basis angestellt, die wurden aber glaube ich im august alle(oder fast) rausgeworfen, weil sie dem LwL zu teuer wurden und es zu langsam voran ging… Seit dem wird nur noch mit Freiwilligen und Asylbewerbern gearbeitet. Dass darunter die Dokumentation leidet, kann sich jeder selbst erschließen, weil vorher die studenten den leuten offenbar alles erklärt haben…schneller wird es jetzt sicher auch nicht gehen. die studenten wurden im übrigen zu teuer, weil der LWL die nicht selbst bezahlt hat, sondern diese über eine andere gesellschaft angestellt hat. Der LWL hat ca. 20 euro pro stunde an diese gesellschaft bezahlt, aber die studenten haben nur 8 euro irgendwas gekriegt… ich finde es eine frechheit, für grabungstätigkeit nicht bezahlt zu werden…das ist, vor allem bei schwierigem boden oder stadtgrabungen, oft sehr harte, schwere arbeit, wo dann noch zeitdruck dazu kommt und ein bagger, der einem sprichwörtlich im nacken sitzt… niemand kommt auf die idee, bei einem autobahnbau oder kabeltrassen freiwilliger zu sein, ist oft dieselbe arbeit… leider gibt es zuviele, die diese arbeit auf einer ausgrabung machen wollen, dadurch wächt immer mehr der eindruck, dass man ja eh niemanden bezahlen müsste, weil es genug ehrenamtler gibt…dadurch gibt es dann immer weniger geld und immer mehr ehrenamtler und so weiter…und am ende ist die dokumentation womöglich ziemlich schlecht, weil befunde nicht erkannt wurden, falsch eingemessen oder gezeichnet oder leute sachen für die vitrine mitnehmen…Das trifft natürlich nicht auf jene zu, die mehrmals an grabungen teilnehmen, aber häufig sind das ja auch leute, die nur einmal graben wollen…nach jordanien und Südamerika gibts sogar richtigen grabungstourismus, den man teuer bezahlen darf…

So siehts aus. Diese ehrenamtlichen Hobbyarchäologen, so nett und engagiert ihre Absichten auch sein mögen, sie schaden der Archäologie massiv! Ein ehemaliger chef von mir hatte mal ein paar Hobbyarchäologen auf unsere Grabung eingeladen: “Zeigen sie denen doch mal wie das geht, dann können die mitarbeiten.” No Way.

Hallo p.b.,

Könntest Du Deine Aussage etwas konkretisieren? Wie schaden ehrenamtliche der Archäologie? Gruß Karlheinz

Hallo! Ich kann mich der Darstellung von Pygmalion oben nur anschliessen: Man freut sich natürlich über Ehrenamtler, die die Augen offen halten und Funde auf Äckern etc melden. Aber die Situation ist wie oben geschrieben: Da werden Leute in einem Jahr angelernt und im folgenden diejenigen, dies ihnen beigebracht haben rausgeworfen und durch genaudiese Hobbyleute ersetzt. Das passiert durchaus häufig. Frage: soll das ein Prinzip der Gesellschaft sein? Mache ich das auch mit der Straßenreinigung so? Mit Ärzten? Mit Ingenieuren? Mit Bänkern? Ersetze ich dort wo nur einer eine Faszination für etwas het eine erfahrene ARbeitskraft durch einen Hobbyisten? Dies kann kein Grundsatz sein und sollte es deswegen auch in der Archäologie nicht. Denn oft sind es ( und ich habe so einige kennengelernt in den letzten jahren) diejenigen, die früher vor dem Einstieg in die Archäoogie abgeschreckt sind durch die schlechten Berufsaussichten (!!) Und arbeiten da jetzt umsonst! Und, dreimal raten!!, wodurch werden die Berufschacen (auch!) für die künftige Situation in der Archäologie schlechter? ja, dreimal raten!! Wenn ich jeden bezahlten Mitarbeiter bei einem großen Konzern durch einen ersetzen kann der mich nichts kostet, wie soll das ganze bitteschön funktionieren? DESWEGEN bin ich auch gegen solche Dinge.

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Es geht hier laut Threadthema konkret um das Ehrenamt auf Grabungen. Soviel ist hoffentlich klargestellt.

eh, charly2008, hast du meinen post und die von p-b- nicht gelesen? da steht drin, wie sie schaden…:wink:

Gerne konkretisiere ich das: 1. Ehrenamtliche helfen den staatlichen Trägern über den Personalmangel hinweg zu täuschen. Anstatt realistische Kampagnenziele auszuschreiben, werden nicht oder schlecht ausgebildete Ehrenamtliche genutzt. Die Studenten oder Fachkräfte, die diejenigen im Schnellverfahren ausbilden, werden dann nach kurzer Zeit entlassen. Es sollte selbstverständlich sein, dass man für seine Arbeit bezahlt wird, aber wenn Leute deine Arbeit umsonst machen, ist glaube ich für Jeden absehbar was passiert. 2. Eine einmal schlecht durchgeführte Dokumentation ist nicht reversibel. Auch wenn man eine Einführung oder zwei Wochen Ausbildung erhält, genügt das nicht. In einem Foto vom LWL zeichnet ein Ehrenamtlicher…da rollen sich mir die Nägel auf. Ein Student kriegt meiner Erfahrung nach erst nach frühstens 8 Wochen durchgängiger Arbeit Papier und Stift und dann steht noch einer dahinter und guckt. Gerade Amateure produzieren gerne die Klassiker: Sich im Schnitt umdrehen und das Zeichenbrett aber nicht drehen etc. Vor allem Punkt 1 passt in unsere gesamten gesellschaftlichen Debatten: Sparen, aber dasselbe leisten. Die Nutzung Ehrenamtlicher verknappt den Stellenmarkt für Archäologen weiter. Viele Menschen möchten gerne mal Archäologen sein (Hätte ich nicht Medizin studiert, wäre ich Archäologe geworden!), aber es gibt Menschen die müssen davon Leben und ihre Familien ernähren. Für die ist das kein Abenteuerurlaub, sondern die stehen in Notgrabungen bis zu den Knien im Wasser und hinter ihnen röhrt der Bagger, der eine Trasse ausheben will. Ehrenamtliche vernichten unsere Stellen.

Hallo p.b., auch wenn ich den Frust und was Du sonst noch geschrieben hast, ganz gut verstehen kann, darf man das hier: Zitat p.b.: " Ehrenamtliche vernichten unsere Stellen. " KEINESFALLS so stehen lassen. Es sind nicht die Ehrenamtlichen, die Eure Stellen vernichten, sondern Verwaltung, Organisation und Finanzer … :-" Wenn man vor fragwürdigen Dingen steht, sollte man immer zuerst fragen: Wem nutzt das? Und warum? Was ist der Zweck? Dann ist man meistens schon sehr schnell schlauer als zuvor … 8) Gruß Paulus7 :innocent:

Willkommen in der Realität der freien Marktwirtschaft. Es funktioniert so halbwegs. Nur nennt es sich in der freien Marktwirtschaft statt “Ehrenamtlicher” dann “Leiharbeiter”. Aber vom Prinzip her ist´s das Gleiche. Die gleiche Arbeit wie die “Festangestellten” aber logischerweise für weniger Geld bzw. umsonst und das Stammpersonal wird im Lauf der Zeit kräftig abgebaut und durch die “austauschbaren” Leiharbeiter ersetzt. Das Problem ist also nicht nur in der Archäologie zu finden.

@Paulus: natürlich sind es auch jene, die nur die ehrenamtlichen nehmen und riesenprojekte planen(wie hier in Haltern, und darum gehts ja auch hier), ohne dass sie sinnvoll sind, falsche zeitpläne aufstellen und dann eben nicht mehr zahlen können…aber dadurch, dass es erst das riesenangebot derer gibt, die genug geld haben, oder rentner sind und damit gar nicht auf das geld angewiesen sind, kann man überhaupt erst so arbeiten…wenn dann noch menschen bereit sind, fürs graben sogar zu bezahlen (was mal mega schwachsinnig ist)…klar dass die “obrigkeit” dann diese leute nimmt…das ist wie Plastikschubkarren für ne grabung zu kaufen, weil die günstiger sind…dass man am ende jeden tag ne neue kaufen muss, weil die dinger dauernd kaputt gehen und am ende das 10 fache bezahlt, daran denken die verwaltungsmenschen natürlich nicht… Natürlich würde auch eine Mauererfirma gerne mit kostenlosen arbeitern arbeiten…da meldet sich aber niemand, der schon immer mal maurern wollte :smiley:

Hallo p.b., Zu 1. Ich kann nur von meinen Erfahrungen bei unserem Denkmalamt berichten. Dort gibt es eine Archäologin, die zugleich die Leiterin des Amtes ist. Für die Grabungen, im gesamten Stadtgebiet, stehen vier Grabungstechniker zur Verfügung. Was für die Notgrabungen kaum ausreicht. Bei größeren Notgrabungen wurden bei Bedarf Hilfskräfte von einer Baufirma zusätzlich, für die Knochenarbeit, ausgeliehen. Das war zum Beispiel der Fall als in einem größeren Neubaugebiet gegraben wurde. Der Grabungstechniker mit dem ich arbeiten durfte war selbst erst ein Jahr beim Denkmalamt festangestellt für 1700 € brutto und das auch nur weil ein Mitarbeiter aus Altersgründen ausschied. Vorher war er jahrelang als Freiberuflicher beim Landesdenkmalamt tätig. Das Amt wirbt nicht um ehrenamtliche und beschäftigt auch keine, höchstens Hilfskräfte. Studenten habe ich auch nie gesehen obwohl unsere Uni eine archäologische Fakultät hat. Das ich da mitmachen durfte war eher die Ausnahme. Zu 2. Die Dokumentation erfolgte ausschließlich durch den Grabungstechniker. Bei den kurzfristigen Grabungen wird größtenteils auch nichts mehr gezeichnet, sondern aus Zeitmangel nur noch mit Fotos dokumentiert. Bei einer länger dauernden Grabung durfte ich auch mal zeichnen, das diente aber nicht der offiziellen Dokumention das war eher eine Übung für mich. Ich nahm auch an Grabungen im Land teil, das waren aber Grabungen die am Wochenende stattfanden und zu denen ehrenamtliche, vom Landesdenkmalamt explizit eingeladen wurden, das war dann so was wie ein Tag der offenen Tür. Dort wurde dann zusammen mit Studenten, unter Aufsicht der Kreisarchäologen, gegraben. Die Feinarbeiten wurden von den wenigen Archäologen und angehenden Archäologen gemacht. Zitat p.b. “Vor allem Punkt 1 passt in unsere gesamten gesellschaftlichen Debatten: Sparen, aber dasselbe leisten.” Da gebe ich dir vollkommen recht, das ist das Hauptproblem. In der Behörde ist gar nicht genug Personal vorhanden um z. B. die ganzen Funde auszuwerten. Diese Auswertungen werden größtenteils durch die Archäologen im Landesdenkmalamt und in unserem Archäologischen Museum gemacht. Karlheinz

die auswertungen werden oft gar nicht gemacht, oder jahrzehnte später…oder von studenten als abschlussarbeiten, die dann aber teilweise(im regelfall sogar, glaub ich) gar nicht veröffentlicht werden…finde den fehler :wink: es wäre im übrigen deutlich günister, mit studenten zu arbeiten, denen man 8-12 euro pro stunde mit werkvertrag bezahlt, als sich arbeiter der baufirma zu leihen, die kosten nämlich deutlich mehr…wundert mich ein wenig, dass das landesamt das bei dir noch nicht mitgekriegt hat…

Hallo Pygmalion,

Die Leute der Baufirma sind sicher teuerer aber man kann sie schnell anfordern und wieder loswerden. “Mitarbeiter auf Dauer einzustellen ist noch teuerer”. In den Zeiten klammer Kassen wird gerade hier gespart. “Damit kann kein Geld verdient werden sondern kostet nur”. “Es gibt wichtigere Dinge”. Außerdem kann man diese Grabungen schwer vorausplanen weil im voraus kaum abzusehen ist welcher Zeitaufwand notwendig sein wird, weil dies auch von den Funden abhängt. Das Landesdenkmalamt ist zwar die oberste Denkmalbehörde aber diese hat wenig Einfluss auf das Budget und den Stellenplan, denn das wird vom Dezernat des Stadtplanungsamts und damit von der Stadtverwaltung festgelegt. Und zudem ist das Denkmalamt nicht nur für die Stadtarchäologie zuständig sondern auch für den Baudenkmalschutz. Nach meiner Kenntnis sind jetzt im Denkmalamt insgesamt 14 Personen tätig. Noch eine kleine Anmerkung: Scherbenfunde werden, sofern nicht besonders herausragend, von einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin gereinigt und zusammengeklebt. Karlheinz

Also das ist unsinn, ich arbeite selbst öfter auf ausgrabungen, die auch mal nur einen tag dauern…da wird man von der entsprechenden person, die das ausgräbt, angerufen: “hast du morgen zeit?” man muss eben einen pool von studenten haben, die man anrufen kann, dann ist das auch variabel planbar…übern werkvertrag wird man ja auch nur für das entsprechende werk, also die besondere grabung angestellt und nix weiter… in städten kann man schon absehen, wieviel zeitaufwand das benötigt…vor allem in altstadtkernen, zumindest grob und der zeitplan richtet sich ohnehin ja meistens nach den baufirmen, nicht andersrum…wenn man also einen tag zeit hat, etwas zu graben und zu dokumentieren, holt man entsprechend mehr leute…

Hallo Pygmalion, vielen Dank für deine freundliche Antwort. vielleicht wird das ja in deinem Kreis oder Stadt besser gehandhabt. Mir sind auch Ämter im Umland bekannt die sich Pools mit Studenten und ehrenamtlichen Mitarbeitern halten um im Bedarfsfalle darauf zurückgreifen zu können. Gruß Karlheinz

Ich kenne einige ehrenamtliche Autodidakten die vorbildlich dokumentieren können und in der Geländearbeit vielen Fachwissenschaftlern voraus sind. Auf Lehrgrabungen habe ich hingegen schon Studenten gesehen, die den Beruf vollendes verfehlt haben. Die an der Uni vermittelte fachliche Kompetenz lässt -um es vorsichtig zu formulieren- schon zu wünschen übrig. Feldarbeit kommt vollkommen ohne Wissenschaftler aus! Schönen Abend