Ehrenamt auf der Grabung

Auf Anregung eines Forenteilnehmers möchte ich hiermit einen Thread starten zu einer Meldung, die vor ca. drei Wochen in unseren Nachrichten erschienen ist. Unter dem Titel »Ehrenamt auf der Grabung« berichteten wir über eine Ausgrabung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Haltern, bei der ehrenamtliche Grabungshelfer eingesetzt wurden. Sowohl die Helfer als auch die Ausgrabungsleiterin zogen eine durchweg positive Bilanz. In den Kommentaren zu dieser Nachricht zeigte sich, dass man zum Einsatz von ehrenamtlichen Grabungshelfern durchaus geteilter Meinung sein kann. Einerseits ist es erfreulich für die Helfer, die auf diese Weise stärker mit der Archäologie in Berührung kommen und für das Image der Archäologie, wenn die Ehrenamtlichen als »Botschafter« in der Öffentlichkeit wirken können. Auf der anderen Seite könnten durch den verstärkten Einsatz von unbezahlten Kräften Arbeitsplätze für ausgebildete Archäologen oder Studenten eingespart werden. Im folgenden einige gekürzte Zitate aus den Kommentaren (die vollständigen Kommentare sind hier zu finden):

[quote=“Sven Poslednik”] … Leider haben die meisten örtlichen Museen und Ämter nicht genügend Geld oder Fördermittel um alle Grabungen durchzuführen. Ehrenamtliche unterstützen da wo die Kapazitäten der Grabungsteams nicht ausreichen. Ohne Sie würden viele Grabungen garnicht durchführbar. …
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[quote=“P.B.”] … Wenn sich dem Finanzdruck gebeugt wird, öffnet man einer Argumentation für weitere Kürzungen Tür und Tor. Es kann doch nicht sein, dass Wissenschaft und Kulturgutsicherung bald quasi nur noch von Ehrenamtlichen durchgeführt wird. …
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[quote=“Christian”] … Es werden Grabungshelfer gesucht, vorzugsweise mit Grabungserfahrung. Leute mit Abschluss wie Bachelor werden nicht genommen. Warum wohl…?!? Ist doch klar, man müsste Leute mit BA normal nach Tarif bezahlen. Nur zu dumm, dass Studenten die einen Master machen auch nochmal Pflichtgrabungen haben. Die schauen in die Röhre weil sie keiner mehr nimmt. …
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[quote=“Sandra”] … Ehrenamtliche, die auf einer Grabung die Archäologie gut kennen lernen, können als “Botschafter” fungieren. Sie erzählen ihren Nachbarn, ihren Kollegen und Freunden oder im Verein, dass man Fundorte schützen muss, dass Archäologie nicht hopplahopp geht usw. Das ist unschätzbar wertvoll. …
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Die Kommentarfunktion bei den Nachrichten ist nicht wirklich für Diskussionen geeignet, daher möchte ich selbige hier ins Forum verlagern und frage Euch: wie ist Eure Meinung zu diesem Thema?

Ich hätte auch nichts dagegen, wenn es im Rahmen des Zivildienstes angeboten wäre.:slight_smile:

Da ich selbst schon ehrenamtlich an einer Grabung teilgenommen habe,kann ich zumindest meine Meinung dazu schreiben. Mit Sicherheit ersetzt ein Ehrenamtlicher keinen ausgebildeten Archäologen aber grabungstechnisch kann man ihn wohl einem Studenten gleichsetzten,der als Grabungsknecht missbraucht wird,da er,zumindest in meinem Fall,die gleiche Arbeit machen mußte. Boden abziehen,Scherben suchen,Dreck aufschaufeln,wegfahren,etc. :grin: Halt die niederen Arbeiten. Trotzdem möchte ich diese ehrenamtliche Mitarbeit nicht missen! Es erlaubte mir eine direkte Einsicht in die wirkliche Arbeit der Archäologen und ich stellte fest,dass die auch nur mit Wasser kochen. Diese gemeinsame Arbeit änderte auch meine Meinung den Archäologen gegenüber,wie auch die Meinung der dort anwesenden Archäologen und Studenten,gegenüber von den “bösen Sondengängern”. Ich kam über die Sondengängerei in Kontakt mit den Archäologen,der mich diesbezüglich wohl etwas “bekehrte”. Letztendlich war diese Grabung dann das ausschlaggebende Erlebniss für mich,um mich direkt beim Denkmalamt zu “bewerben”,wodurch sich zwischenzeitlich eine mehrjährige Zusammenarbeit ergeben hat. Danke Flo. :b:

Archäologie Interessierte sind stets eine Bereicherung. Das Problem ist nur, dass die Arbeit als Grabungshelfer für Studenten ein wichtiger Teil der Ausbildung ist und manchem Archäologen über Zeiten der fianziellen Engpässe hinweg hilft. Die Nutzung Ehrenamtlicher täuscht über die immer knapperen Budgets hinweg. Außerdem liegt noch soviel Unbearbeitetes in den Depots, dass Boden- und Denkmalämter erstmal ihre Publikationsschulden abarbeiten sollten, was aber schwierig ist, da stets Neues anfällt und Grabungen gefordert werden. Bald wird es so sein, dass man für Grabungsteilnahmen bezahlen muss wie Engländer, Amerikaner und Holländer. Bezhalen um arbeiten zu dürfen…Juhu

Tja, die Krise wird auch die Archäologie nicht verschonen. Man kann nur hoffen, dass die Politiker mit ihrem Privatisierungswahn nicht alles verscherbeln lassen. Ich kann nur raten jetzt reiche Sponsoren, die ihr Image aufpolieren wollen, anzuwerben. Sucht euch auch andere Finanzquellen. Denn das wird ein Überlebenskampf.

Was du schreibst ist nett gemeint, aber leider muss ich dich wieder ankeilen, da es erneut zeigt wie uninformiert du bist. Viele Grabungen im Ausland werden von Stiftungen bezahlt, die nicht staatlich sind. Somit hat die Archäologie in diesem Bereich viele, große Sponsoren. Privatsammler geben Museen ihre Stücke als Leihgaben zum ausstellen und Uni Institute kriegen viele Spenden in Form von Geld oder Büchern wie auch oftmals Nachlässe vermacht werden. Antikenvereine geben oftmals große Summen. Wir haben die Sponsoren. Die Denkmalämter sollten ihre Politik überdenken und ein Amt kann sich nicht sponsoren lassen. Ich weiß dein ernst gemeintes Interesse an der Archäologie sehr zu schätzen. Nur Paulus und du ihr habt von den Hintergründen wie Wissenschaft, Wissenschaftsbetriebe und der Berufswelt der Archäologen funktioniert keine Ahnung. Ihr hängt Bildern und Vorstellungen an, die ihr euren häufig zitierten Internetquellen entnehmt, aber dort werden falsche Bilder vermittelt.

Hallo, Man muss sich immer beide Seiten ansehen. Wenn eine Institution Ehrenamtliche beschäftigt muß sie sie auch „pflegen“, und man muss sich „kümmern“. Das aber macht zusätzliche Arbeit und davor scheuen viele Institutionen zurück. Jeder der ehrenamtlich tätig ist erwartet eine gewisse Anerkennung und Bestätigung für die Arbeit die er leistet, das ist ja sein „Lohn“. Alle die auf irgendeinem Gebiet ehrenamtlich tätig sind, sind sich auch bewusst dass sie keine Fachleute sind. Aber mit fachlicher Anleitung können auch die Ehrenamtlichen beachtliches leisten. Nachdem ich im Ruhestand war nahm ich Kontakt mit dem Denkmalamt auf. In einem Gespräch mit der Amtsleiterin empfahl sie mir, eine Nachforschungsgenehmigung beim Landesamt zu beantragen. Diese erhielt ich auch. Ich fragte ob ich auch an Augrabungen teilnehmen dürfte, was von Ihr wohlwollend beschieden wurde. Meine Ausrüstung habe ich selbst bezahlt (Arbeitskleidung u.a. Sicherheitsschuhe und Werkzeug) Ich habe selbst fast drei Jahre bei Notgrabungen (davon fallen hier sehr viele an) des Denkmalamtes in unserem Stadtgebiet (700000 Einwohner) mitgearbeitet. In unserem Denkmalamt ist der einzige Archäologe die Amtsleiterin selbst, die zusätzlich auch für die Baudenkmalpflege verantwortlich ist. Das Amt hat insgesamt etwa acht Angestellte. Für Grabungen stehen gerade einmal vier Grabungstechniker zur Verfügung. alle Ausgrabungen , die Dokumentation und die Fundbergung erfolgen nur durch diese Grabungstechniker. Einen Studenten oder Archäologen habe ich nie bei diesen Ausgrabungen gesehen außer der Amtsleiterin die ab und zu mal vorbeischaute . Ich arbeitete mit einem Grabungstechniker zusammen der mich sehr gut angeleitet hat und von dem ich sehr viel gelernt habe. Ich durfte außer graben auch beim Einmessen, freilegen von Funden und deren Bergung mitarbeiten. Wer schon mal auf einer Grabung war, weiß das 90% der Arbeit erst einmal harte Knochenarbeit ist. Auch sind die Arbeitsbedingungen selten optimal. Einen Bauwagen, z.B. zum Umkleiden und für Pausen, gibt es nur bei längerfristigen Grabungen. Der Grabungstechniker freute sich, das er teilweise von der Knochenarbeit entlastet wurde und sich mehr um die Dokumentation kümmern konnte. Man kann sich vorstellen, auch wenn man nur innerhalb des Stadtgebietes unterwegs ist, einige hunderte Kilometer Fahrleistung zusammenkommen. Eines Tages fragte ich bei der Amtsleiterin freundlich nach ob es eventuell eine Fahrgelderstattung für ehrenamtliche Mitarbeiter geben könnte. Da ließ sie mich wissen, das ich kein ehrenamtlicher Mitarbeiter sei, da ich nicht im Auftrag des Denkmalamtes unterwegs sei, sondern nur ein freiwilliger Helfer. Außerdem müsste ich eine private Haftpflichtversicherung haben, damit eventuelle Schäden auf den Baustellen, die durch mich verursacht werden, gedeckt seien. Das war es dann! Mein Interesse an der Archäologie wurde jedoch dadurch nicht geschmälert. Das ist der springende Punkt der viele Institutionen abschreckt. Denn wenn man im Auftrag der Institution arbeiten würde hätte man eventuell Anspruch auf Fahrgelderstattung und einer Haftpflichtversicherung durch die Institution. Das sind Dinge die nicht besonders motivieren ehrenamtliche zu beschäftigen oder als ehrenamtliche Mitarbeiter zu benennen. Beim Landesamt ist man mit der NFG ein ehrenamtlicher Mitarbeiter und ist wenigstens unfallversichert. Ich bin z. Zt. In einer gemeinnützigen Organisation ehrenamtlich tätig dort bin ich Haftpflichtversichert und erhalte eine Fahrgelderstattung in Höhe der Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel. Ich möchte für meine ehrenamtliche Tätigkeit nicht bezahlt werden aber auch kein Geld mitbringen müssen. Sicher gibt es auch viele positive Beispiele, man kann nicht alle Ämter über einen Kamm scheren. Gruß Karlheinz

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Hallo alle miteinander, ich möchte hier zwei Gedanken einstreuen: 1. Die ersten Archäologen waren alles Ehrenamtlichen (im 19. Jh.), es mag sein dass nach einer starken Institunalisierung hier das Rad aus diversen Gründen (Geldmangel, mangelndes Interesse der breiten Öffentlichkeit an nicht spektakulären usw.) zurückschwingt. Für mich steht da zuallererst die Frage “Wie leiten die Ämter an / stellen die wissenschaftliche Qualität sicher?” 2. Ich bin mehrere Jahre(in den neunzigern) ehrenamtlicher Denkmalpfleger (Schwerpunkt Kleindenkmale) in Sachsen gewesen. Alles an Kosten was nicht vom Amt übernommen wurde, konnte ich problemlos bei der Steuer geltend machen. Beste Grüße Tarkan

Das ist natürlich völliger Unsinn. Schon Winckelmann wurde bezahlt, genau wie Carter, selbst Schliemann hatte Sponsoren. Gottlob Heyne hatte eine feste Anstellung als Forscher für Antikes, ebenso Mommsen. Bok war Kurator. Brugsch wurde staatlich gefördert, Friedländer war Professor genau wie Benndorf und W.A. Becker und Furtwängler. Soll ich weiter machen?

Hallo p.b. Winkelmann war - meines Wissens nach - Biblothekar und hat sich mit der Archäologie in seiner Freizeit beschäftigt. Jacques Boucher de Perthes war auch Hobbyarchäologe. Die Leute mögen andere Jobs für die sie bezahlt wurden. Mit der Archäologie haben sie sich in ihrer Freizeit (ohne vergütung) beschäftigt. Gern gebe ich meinen Irrtum zu wenn Du mir nachweist, dass mein Wissen falsch ist. Mit den besten Grüßen

Gut ich wiederhole: Gottlob Heyne hatte eine feste Anstellung als Forscher für Antikes, ebenso Mommsen. Bok war Kurator. Brugsch wurde staatlich gefördert, Friedländer war Professor genau wie Benndorf und W.A. Becker und Furtwängler. Dass die Archäologie damals noch Teil der Kunstgeschichte und Philologie war, ändert Nichts daran, dass diese Leute Geld zum Forschen über archäologische Hinterlassenschaften erhalten haben.

Hallo, ob eine Behörde oder sonstige Institution ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt liegt in deren Ermessen würde ich vermuten. Möglicherweise verhindern auch besondere Bestimmungen in Behörden und Ämtern (rechtliche, verwaltungstechnische) die Beschäftigung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Erfahrungen und Informationen zu diesem Thema wären sehr interessant. Karlheinz

Über diese grabung habe ich tolle sachen gehört… da waren durchaus studenten auf 400 euro basis angestellt, die wurden aber glaube ich im august alle(oder fast) rausgeworfen, weil sie dem LwL zu teuer wurden und es zu langsam voran ging… Seit dem wird nur noch mit Freiwilligen und Asylbewerbern gearbeitet. Dass darunter die Dokumentation leidet, kann sich jeder selbst erschließen, weil vorher die studenten den leuten offenbar alles erklärt haben…schneller wird es jetzt sicher auch nicht gehen. die studenten wurden im übrigen zu teuer, weil der LWL die nicht selbst bezahlt hat, sondern diese über eine andere gesellschaft angestellt hat. Der LWL hat ca. 20 euro pro stunde an diese gesellschaft bezahlt, aber die studenten haben nur 8 euro irgendwas gekriegt… ich finde es eine frechheit, für grabungstätigkeit nicht bezahlt zu werden…das ist, vor allem bei schwierigem boden oder stadtgrabungen, oft sehr harte, schwere arbeit, wo dann noch zeitdruck dazu kommt und ein bagger, der einem sprichwörtlich im nacken sitzt… niemand kommt auf die idee, bei einem autobahnbau oder kabeltrassen freiwilliger zu sein, ist oft dieselbe arbeit… leider gibt es zuviele, die diese arbeit auf einer ausgrabung machen wollen, dadurch wächt immer mehr der eindruck, dass man ja eh niemanden bezahlen müsste, weil es genug ehrenamtler gibt…dadurch gibt es dann immer weniger geld und immer mehr ehrenamtler und so weiter…und am ende ist die dokumentation womöglich ziemlich schlecht, weil befunde nicht erkannt wurden, falsch eingemessen oder gezeichnet oder leute sachen für die vitrine mitnehmen…Das trifft natürlich nicht auf jene zu, die mehrmals an grabungen teilnehmen, aber häufig sind das ja auch leute, die nur einmal graben wollen…nach jordanien und Südamerika gibts sogar richtigen grabungstourismus, den man teuer bezahlen darf…

So siehts aus. Diese ehrenamtlichen Hobbyarchäologen, so nett und engagiert ihre Absichten auch sein mögen, sie schaden der Archäologie massiv! Ein ehemaliger chef von mir hatte mal ein paar Hobbyarchäologen auf unsere Grabung eingeladen: “Zeigen sie denen doch mal wie das geht, dann können die mitarbeiten.” No Way.

Hallo p.b.,

Könntest Du Deine Aussage etwas konkretisieren? Wie schaden ehrenamtliche der Archäologie? Gruß Karlheinz

Hallo! Ich kann mich der Darstellung von Pygmalion oben nur anschliessen: Man freut sich natürlich über Ehrenamtler, die die Augen offen halten und Funde auf Äckern etc melden. Aber die Situation ist wie oben geschrieben: Da werden Leute in einem Jahr angelernt und im folgenden diejenigen, dies ihnen beigebracht haben rausgeworfen und durch genaudiese Hobbyleute ersetzt. Das passiert durchaus häufig. Frage: soll das ein Prinzip der Gesellschaft sein? Mache ich das auch mit der Straßenreinigung so? Mit Ärzten? Mit Ingenieuren? Mit Bänkern? Ersetze ich dort wo nur einer eine Faszination für etwas het eine erfahrene ARbeitskraft durch einen Hobbyisten? Dies kann kein Grundsatz sein und sollte es deswegen auch in der Archäologie nicht. Denn oft sind es ( und ich habe so einige kennengelernt in den letzten jahren) diejenigen, die früher vor dem Einstieg in die Archäoogie abgeschreckt sind durch die schlechten Berufsaussichten (!!) Und arbeiten da jetzt umsonst! Und, dreimal raten!!, wodurch werden die Berufschacen (auch!) für die künftige Situation in der Archäologie schlechter? ja, dreimal raten!! Wenn ich jeden bezahlten Mitarbeiter bei einem großen Konzern durch einen ersetzen kann der mich nichts kostet, wie soll das ganze bitteschön funktionieren? DESWEGEN bin ich auch gegen solche Dinge.

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Es geht hier laut Threadthema konkret um das Ehrenamt auf Grabungen. Soviel ist hoffentlich klargestellt.

eh, charly2008, hast du meinen post und die von p-b- nicht gelesen? da steht drin, wie sie schaden…:wink: