Antike Schriften / Schriftanalyse

Alle liebe Forumsteilnehmer! Ich bin ein Archeologie - Laie, aber sehr daran interessiert; also entschuldigt bitte wenn die Frage nicht unbedingt eine “Herausforderung” ist. Weiters bin ich mir nicht sicher ob ich im richtigen Forum gelandet bin. Folgendes: Immer wenn ich mir eine Archeologie - Docu bzw. Texte reinziehe, ist eines Dinge die wissenschaftlich am fundiertesten bzw. am anerkanntesten sind, Schriften bzw. Tafeln die in alten Schriften (Keilschrift, Hyrogryphen, …) welche über historische Dinge bzw. zu Begebenheiten jener Zeit eine Aussage treffen. Oft bleiben Erkenntnisse eines Wissenschaftlers so lange eine pure Theorie bis sich entsprechende Funde sichern und analysieren lassen. Daraus folgt dass die Bedeutung der Schriften vollständig klar sein muss, und alte Sprachen und Schriften sich 1:1 in moderne Sprachen übersetzen lassen bzw. die Fähigkeit vorhanden ist. Ich frage mich wie das möglich ist. Nicht dass ich behaupten will, dass es nicht denkbar ist, es ist ja offensichtlich schon lange möglich. Wie kann man (theoretisch) vorgehen, wenn man eine komplett neue Sprache entschlüsseln will? Mir wurde gesagt, dass meistens eine Art “probieren” erfolgt, das solange wiederholt wird, bis das Geschriebene einen Sinn ergibt. Das könnte ich auch glauben, aber sind die Texte nicht in einer ebenfall unbekannten Sprache verfasst, und macht somit vorerst die Beurteilung eines “Sinns” unmöglich? Eventuell findet sich jemand, der mir das beantworten kann. Danke! Und einen schönen Tag! Günter Prossliner

hallo phyl! ich hab mal ein paar semester keilschrift studiert und kann Dir daher einiges dazu sagen. die entzifferung der keilschrift und auch der ägyptischen hieroglyphen war nur deshalb so schnell und umfassend möglich, weil es mehrere zweisprachige texte gab. in ägypten war es der rosetta-stein mit derselben inschrift in ägyptisch und griechisch, den champollion benutzte. in mesopotamien brachte die inschrift von behistun den durchbruch, die in altpersisch, elamitisch und assyrisch geschrieben war. altpersisch war eine bekannte sprache, mit deren hilfe man das assyrische entschlüsseln konnte. es gab jahrtausendealte wörterbücher, die den assyrischen und babylonischen schreibern dienten und mit deren hilfe man schließlich das viel ältere sumerisch entziffern konnte. ein großteil des wortschatzes mußte natürlich immer noch aus dem kontext erschlosen werden, und bis heute gibt es bei vielen wörtern noch unklarheiten, welchen genauen sinn sie gehabt haben. hat man keine bilingue (zweisprachige inschrift), ist die entzifferung fast aussichtslos. die ältesten keilschrifttexte sind noch kaum zu entziffern, man weiß nicht einmal, obwohl man es vermutet, daß deren sprache sumerisch war. die inschriften der indus-kultur sind zu kurz, man kann bei ihnen noch nicht einmal aussagekräftige computeranalysen zur buchstabenhäufigkeit (bzw. silbenhäufigkeit) verwenden. Buchstabenhäufigkeit ist ein gutes mittel, eine alte schrift zu übersetzen, wenn man deren sprache kennt; dieses verfahren setzt aber genügend lange inschriften voraus. Die kretische bilderschrift und die linear a-schrift sind, soviel ich weiß, auch noch nicht entschlüsselt, obwohl man sich daran seit über hundert jahren die zähne ausbeißt. hat man eine unbekannte schrift und eine unbekannte sprache (und viele sprachen sind seit der antike restlos ausgestorben), kann man das entziffern beinahe vergessen. um 1960 war es noch unmöglich, die schrift der maya in zentralamerika zu lesen, abgesehen von den zahlen und astronomischen daten. erst als man erkannte, daß die mayaschrift eine silbenschrift ist und heute noch verwandte dialekte gesprochen werden machte die entzifferung einen quantensprung, seit den achtziger jahren kann man praktisch alle maya-texte übersetzen. die schrift der maya-vorläufer, der olmeken, ist aber noch nicht enträtselt, auch hier kennt man die zugrundeliegende sprache noch nicht. so, das solls in aller kürze erst mal gewesen sein. wenn Du noch genauere informationen haben willst, stehe ich Dir gerne zur verfügung. gruß piltecatl

Hallo piltecatl! Herzlichen Dank für Deine umfangreiche Antwort! Das mit den mehrsprachigen Schrifen / Tafeln in Verbindung mit teilweise noch bekannten Sprachen leuchtet durchwegs ein. Das mit der Buchstaben bzw. Sibenhäufigkeit ist sicherlich ein kompliziertes und auch unsicheres Verfahren, das erst Sinn macht wenn man entsprechend umfangreiche Quelltexte hat. Liebe Grüsse.