Stadtkerngrabungen Osnabrück

Vor einigen Jahren wurde die Archäologie in das Programm der Stadtführungen Osnabrücks aufgenommen. Im Laufe der Zeit habe ich dazu eine ganze Reihe Fotos gemacht, die ich kurz betextet bei www.flickr.com in Themen ordne: Einmal die Domgrabungen, vor allem 2002, wo Prof. Lobbedey jetzt zu einem ersten großen Entwurf für die Baugeschichte gekommen ist: “Der Dom als Anfang” 1225 Jahre Bistum und Stadt Osnabrück. Lobbedey:" Ist Bau II schon auffallend groß, so übertrifft Bau III alle Dome und Klosterkirchen der Karolingerzeit in Sachsen an Größe und wird im ganzen Frankenreich nur von wenigen übertroffen." Darstellung der Domgrabungen auf der offiziellen Archäologieseite in Osnabrück. Und gerade beendet die Grabung am ältesten Steinwerk von Osnabrück, bisher datiert um das Jahr 1220, ein städtischer Haustyp, der vor allem in Osnabrück verbreitet war. Im Umland Osnabrücks gibt es auch ländliche Varianten, die aber zum Teil andere Merkmale aufweisen. Wichtig ist auch der Münzfund in den mittelalterlichen Aushubgruben am Steinwerk: Es ist ein Münsteraner Silberpfennig, der laut Grabungsleiterin Carolin Prinzhorn aufgrund seiner Beschaffenheit und seines Alters und Fundortes ermöglicht, “das Steinwerk in der Bierstraße 7- etwas früher als bisher angenommen- in die Zeit um 1180 zu datieren.” So die vorläufige Deutung. Wer wissen will, wie die 35 Steinwerke aus dem Mittelalter in Osnabrück aussehen, die noch stehen, hier. Osnabrück wurde von der heimischen Presse auch schon als “Hauptstadt der Steinwerke” beschrieben. Am 22. Oktober 2005 beginnt endlich eine detaillierte Portraitserie dieser Häuser in der NOZ. Im ersten Teil jetzt fast offiziell die neueste Schätzung zur Anzahl der zwischen 1200 und 16. Jahrhundert gebauten Steinwerke: 250. Hinzu kommt noch die Grabung Schwedenstraße, wo vermutlich der Wirtschaftshof des Doms gefunden wurde Die Grabung Lohstraße, auf der Suche nach Kapelle, Hospiz und Konvent im Mittelalter Die große Unbekannte in der Osnabrücker Stadtgeschichte und in der Archäologie ist die Neustadt. Ausgehend von der Gründung der Stiftskirche St.Johann im Jahre 1011, durchläuft die südlich der Altstadt gelegene Neustadt im Mittelalter eine relativ eigenständige Entwicklung. Architektonischer Höhepunkt der mittelalterlichen bürgerlichen Epoche könnte das 1348 errichtete Rathaus sein, das teilweise noch erkennbar ist. Der Stadthistoriker Karsten Igel betonte 2004 in den Osnabrücker Mitteilungen, dass in der Neustadt im 15. Jahrhundert mit wenigstens 2500 bis 3000 Einwohnern zu rechnen sei, “ohne die Geistlichkeit und deren Haushaltsmitglieder”. Damit sei sie “nur wenig kleiner” als die beiden Bischofssitze Minden und Paderborn. Gegraben wurde in der Neustadt aber vor allem in und an der Johanniskirche im Bereich der ehemaligen Johannisfreiheit. Jetzt auch im Frühjahr 2006, wo die Stadtarchäologen im Kapitelhaus auf einen zwei Meter hohen “unterirdischen Steinbogen” (NOZ 29. März) stießen, dessen Bedeutung noch ungeklärt bleiben muss. Ausserdem gehörten verzierte Tonfliesen zur Gebäudeausstattung im 13.Jahrhundert. Für Altstadt und Neustadt Osnabrück mittlerweile kein ungewöhnlicher Fund. Seit dem 15. Mai 2006 können die Archäologen eine kleine Fläche in der Neustadt untersuchen, nicht weit von einem der mittelalterlichen Straßenzüge entfernt. Ein Fundament ist bereits gut erkennbar. Hier die Fortschritte bei der Grabung.

Vom 2. bis zum 4. März findet in Osnabrück ein Steinwerkkolloquium statt. Endlich sollen die romanischen und gotischen Profanbauten dieser Stadt in den überregionalen Kontext eingeordnet werden. Dazu hielt Prof. Kiesow am 2. März einen Vortrag über romanische Wohnbauten in Deutschland. Für den Steinbau um 1200 zeichnet er mögliche Traditionslinien, die noch aus der Römerzeit stammen. Besonders für die Rheinregion scheine diese Möglichkeit zu bestehen. Inwieweit das auch für den norddeutschen Raum gelte bleibe offen. Das Beispiel einer Rekonstruktion des sogenannten “romanischen Hauses” in Seligenstadt ist hier dargestellt. Der Aufsatz stammt aus dem Jahr 1987, wobei damals noch angenommen wurde, dass es angeblich nur noch wenige ähnliche noch existierende Bauten gäbe. Hier das Maison Romane in Rosheim, Elsaß. Hier Worms. Hier “Das Steinhaus” in Bad Wimpfen. Hier eine Rekonstruktion der Steinhäuser im Bereich Zürich um 1250. Und dieses Beispiel in Naumburg kommt den Osnabrücker Verhältnissen sehr nahe. Auch der Begriff Steinwerk fällt hier (Rekonstruktion, Shockwave player nötig),auf der Homepage des Museums Naumburg “Hohe Lilie” anklicken und dann zur Baugeschichte gehen. Dort wird der mehrphasige Ausbau des Hauses erklärt. Nach den Ausgrabungen am Bohlendamm in Hannover wird eine genauere Definition des Begriffs Steinwerk vorgeschlagen, das Ergebnis ist hier nachzulesen. In Freiberg (pdf-Datei) Sachsen besteht die Schwierigkeit archäologische Baubefunde zu deuten. Oft fehlt ein vollständiges Gebäude, auf das verwiesen werden könnte. Auch in Bielefeld wurden Fundamente von “Steinwerken” bei Ausgrabungen freigelegt. Interessant für den mittelalterlichen Hausbau könnte aber auch ein Blick nach Frankreich sein. Bisher habe ich noch keine direkten Vergleiche gefunden. Immerhin gehörte ein großer Teil des heutigen Frankreichs um 1200 zum Herrschaftsbereich der Staufer. Bei La Maison Au Moyen Age ist eine Fotoauflistung französischer städtischer Häuser im Mittelalter veröffentlicht. Ob es hier Verbindungen zu hiesigen Steinbauten gibt? Auf der östlichen Seite in Prag gab es ebenfalls romanische Stadthäuser, die scheinbar lange Zeit in der Forschung keine große Rolle spielten: Zitat: Bei den Häusern handelte es sich um „Bauwerke aus nicht verputzten Qua- dern mit einer Höhe von bis zu zwei Stockwerken und mit Außentreppen“ (SEDLÁKOVÁ 1997: 27). Das Erdgeschoss war meist unbewohnt und die Fenster waren sehr klein und kurz unter der Decke eingebaut, während der Hauseingang direkt in den Garten führte. Außerdem verfügten die Häuser über hochstrebende Gewölbe auf Stützpfeilern mit Kapitellen. Den Schutzcharakter verloren die Häuser erst, als die Altstadt im 13. Jh.von einer Verteidigungsmauer umgeben wurde. Lange Zeit wusste man nicht von diesen Häusern, da sie von anderen Bauten verdeckt wurden, aber gegenwärtig lassen sich noch 70 solcher Werke in Prag finden Aus Morphogenetische Stadtgeographie, Katja Bessel, Uni Göttingen

Auch in Höxter wurde 2005 ein Baubefund festgestellt, der auf ein Steinwerk hindeutet: Im Vordergrund des Interesses stand die Baugeschichte des Hauses Nr. 35 mit seinem steinernen, vor 1512 errichteten Hinterhaus (Steinkammer). Es ist der älteste Teil des ehemaligen Corveyschen Lehnshofes, der 1582 mit der Belehnung des Corveyschen Kanzlers Johann Heisterman für drei Jahrhunderte in Familienbesitz gelangte. Das Alter der Steinkammer konnte bisher noch nicht geklärt werden. Jedoch kann das Gebäude nach den bisherigen Erkenntnissen frühestens im 13. Jahrhundert errichtet worden sein (Die ältesten, in Höxter nachzuweisenden Steinhäuser entstanden in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mittelalterliche Steinhäuser sind in der Regel als Wohnstätten der städtischen Oberschicht anzusprechen). Pressestelle Münster via porta-praehistorica

Die Archäologie und der Denkmalschutz sind jetzt unter der Osnabrücker Internethauptseite zu finden. Dort werden auch die aktuellen Grabungen vorgestellt. Hier die neue Url-Adresse, von der sich aus weiter recherchieren lässt. Besonders aktuell sind die wiederbegonnenen Grabungen am Dom, wo mit Funden bis zu den Anfängen Osnabrücks um 800 zu rechnen ist. Erste Fotos hier. Beim Attachment, Sieburger Keramik, kann es sich auch um etwas anderes handeln, nachdem eine zweite Hälfte mit anderer Verfärbung und einer deutlichen Bruchkante gefunden wurde. Die letzte Beurteilung läuft auf das 14. Oder 15. Jahrhundert hinaus.

Was fehlt ist eine ungefähre Übersicht zu den Verhältnissen in Osnabrück, hier eine Aufnahme von 2005 mit Angaben zu wichtigen aber nicht allen Fundorten. Die Notes in dem Foto können hier gelesen werden. Ansonsten das Foto ohne Notes als Anfügung.

Die aktuelle Grabung am Dom läuft voraussichtlich bis November. Ein halbes Dutzend Mauerzüge ohne Bezug zueinander wurden freigelegt und in den Schächten arbeiten die Archäologen immer noch in Schichten bis ins 17. Jahrhundert. Bis zu den Anfängen um 800 fehlen einige Jahrhunderte. Aber zu erwarten wären solche Funde aus dieser Zeit. Hier das tiefstgelegene Planum: Foto. Und tatsächlich, ein Mauerzug scheint bis ins 9. Jahrhundert datiert werden zu können. Das ist der Stand der zweiten Oktoberwoche. Hier die Bedeutung der Grabung aus regionaler Sicht.

Seit Fruehjahr 2007 wird in der Naehe der Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung gegraben. Genauer: Im Bereich der Hellingsmauer, und die liegt an der Hase, dem Fluss, der auf der Ostseite fuer Jahrhunderte die Stadtgrenze bildete. Aufgrund von Funden gibt es die These, dass hier seit karolingischen Zeiten, in den ersten Phasen der Stadtwerdung, ein Ufermarkt bestand. Ein merkwuerdiger Fund vor einigen Wochen liess fuer einen Moment auf die Entdeckung eines Einbaums schliessen. So ein Bootsfund haette die These des Ufermarkts noch weiter untermauert. Doch kurze Zeit spaeter wurde deutlich, dass es sich um die Reste einer Muehlenanlage handelt. Nur liegt sie abseits des heutigen Flussverlaufs. Rekonstruierte Stadtkarten und Modelle muessen abermals korrigiert werden. Beim Fund handelt es sich um eine Muehlenrinne, bisher als Grabungsfund einmalig in Osnabrueck, fuer deren Erhaltung Sponsoren gesucht werden, siehe Fotos und Anhang mit dem Bericht in der Neuen Osnabruecker Zeitung. Die Grabungsfotos stammen von Andreas Niemuth.

Zum Thema Steinwerke ein weiteres Vergleichsbeispiel in Lippstadt, NRW. Dort ist ein Haus aus dem 14.Jahrhundert Baudenkmal des Monats im November 2007. “1981 entdeckte man auf dem rückwärtigen Teil des Betriebsgeländes einer Druckerei bei den Voruntersuchungen zur dortigen Stadtsanierung ein merkwürdiges Steinhaus mit dicken Außenwänden aus Bruchstein und einer bemalten Decke im Obergeschoss.” Weiterlesen hier.

Eine Promotionsarbeit am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters Abteilung für Archäologie des Mittelalters in Tübingen mit dem Titel Steinwerk und Kemenate ist gerade in Arbeit. Bei der Onlinebeschreibung des Vorhabens wird Minden als Schwerpunkt erwähnt. Bei den Quellen sind zahlreiche interessante Verweise. Minden ist vor allem ein archäologischer Fundort für Steinwerke. Es soll auch der soziale Kontext der Häuser beschrieben werden. Obwohl ich etwas Schwierigkeiten mit dem Schwerpunkt Minden habe, wo es nun schon so viele weitere Städte mit Steinwerk-Nachweisen gibt und nicht nur als Fundament und die als Grundlage für eine allgemeine Definition des Begriffs Steinwerk herangezogen werden könnten.