Grabung in England

Hi! Ich würde gerne einmal in England an einer Ausgrabung teilnehmen, oder mit Engländern im Ausland graben. Ich habe also 2 Fragen: 1. Kennt jmd Adressen an die ich mich in England wenden kann (so wie in Deutschland z.B. die Ämter oder Firmen) und 2. sicherlich gibt es in England auch soetwas wie das DAI in Deutschland. Kennt jmd diese Institution und deren Adresse und so? … Bin gespannt auf Eure Antworten Grüße Andrea

Hi Andrea, Grabungen in Grossbritannien finden seit geraumer Zeit groesstenteils im Bereich der Vertragsarchaeologie statt, d.h. 99% aller Grabungen werden von Firmen oder Stiftungen betrieben, die sozusagen fuer Geld graben. Obwohl hier ein grosser Bedarf an Grabungskraeften besteht, handelt es sich hierbei nicht um “ich-grab-mal-eben-mit” Angelegenheiten, d.h. man wird unter Vertrag genommen fuer bis zu 3 Monate und muss dann teilweise in 12 Stunden Schichten buckeln. Diese Jobs sind allerdings nur zu haben mit mindestens 6 Monaten Grabungserfahrung und man sollte neben Schichtgrabung auch mit einer Totalstation umgehen und Kontext-Dokumentation betreiben koennen. Eine gute Seite um soclhe Jobs zu finden ist www.bajr.co.uk Vorsicht sollte in zwei Aspekten geboten sein: 1) auf jeden Fall einen Vertrag haben BEVOR man auch nur eine Schaufel anfaesst, und 2) fuer grosse, bzw. angesehen Firmen/ Stiftungen arbeiten, die auch wissen was sie tuhen und sich mehr um die Archaeologie sorgen, als um das Geld! (alle anderen werden im Jargon als “Cowboys” bezeichnet: erst graben, dann fragen…:wink: Meine Erfahrungen waren groesstenteils mit Oxford Archaeology, die sehr professionell und verantwortungsbewusst arbeiten. In Sachen Bezahlung sieht es dann mit c. Euro 360,- pro Woche leider weniger rosig aus. Harter Kapitalismus eben. Auf vielen Grabungen im Bereich Vertragsarchaeologie habe ich in Grossbritannien allerdings recht haeufig mit Kollegen aus dem europaeischen Ausland zusammengearbeitet. Grabungen die von Universitaeten veranstaltet werden sind um einiges duenner gesaeht, gerade in der eigenen Heimat, da die Finanzsituation vieler Britischer Universitaeten sehr schlecht ist. Oftmals sind diese zudem als Fieldschools ausgelegt, d.h. es wird den eigenen Studenten absoluter Vorrang gegeben, oder aber man muss fuer die Teilnahme eine stattlich Gebehr bezahlen, lernt dafuer aber auch sehr viel. Gute und Bekannte Fieldschools sind die der Universitaeten Reading im roemischen Silchester (Suedengland) und der Universitaet Liverpool auf der Isle of Man. Die Gebuehren koennen dabei bis zu Euro 150,- pro Woche betragen! Es lohnt sich die Webseiten der Univesitaeten anzuschauen (meisstens unter Projects!) und den Verantwortlichen Projektleitern einfach emails zu schreiben. Grabungen im Ausland finden natuerlich statt, sind aber ebenfalls meisst den eigenen Studenten vorbehalten, aber hierbei bin ich mir nicht 100% sicher. Am Besten webseiten ansehen und viele, viele emails schreiben. Eine Moeglichkeit hier ist das Catalhuyuk Projekt der Universitaet Cambridge. Es handelt sich dabei um das wohl groesste Projekt irgendeiner britischen Uni im Ausland und hat in Sachen Grabungstechnik einiges zu bieten (sehr modern mit Computern und so). Auch gibt es bei diesem Projekt den Anspruch nach einem explizitem Theorierahmen zu arbeiten (Reflexivitaet etc. Empfhelenswert sind da die zwei Monographien die erschienen sind). Das britische Equivalent zum DAI ist die British Academy (www.britac.ac.uk), die Institute in vielen Teilen der Welt unterhaelt, so zum Beispiel in Ankara, Athen, Rom, Jerusalem und Amman (wo ich in der Tat gerade in der Bibliothek sitze). Alle diese Institute haben eigene Projekte und Grabungen, die unterschiedlich besetzt sind und geplant werden, groesstenteils mit Britischen Unis kollaorieren. Am Besten auch hier emails mit Anfragen schreiben, seine Interessen und Gruende darlegen und abwarten. Addressen und webpages sind leicht auf der Homepage der British Academy zu finden (unter Institutes Overseas!). CBRL Ammans Addresse ist: http://www.britac.ac.uk/institutes/cbrl/ Also, froehliches Email schreiben und viel Glueck!

Hallo Toby, ich hatte vor einiger Zeit auch schon mal eine Anfrage im Forum zwecks Ausgraben in UK gestartet, bei der du mir sehr weiterhelfen konntest.Gerade versuche ich meine Bewerbungen ins Englische zu übersetzen und stelle fest, dass ich mit dem Übertragen der deutschen Berufs- bzw. genauen Stellenbezeichnungen Probleme habe. Da du netterweise angeboten hast, dass ich auch noch weitere Fragen an dich richten kann, versuche ich es nochmal. Was ist am ehesten mit Grabungsleiter auf kleineren Rettungsgrabungen gleichzusetzen? Was ist ein (studentischer )Ausgrabungshelfer und was ein Archäologe der zwar erst 3 Jahre Erfahrung hat aber schon alles Mögliche -über Vermessen, Zeichnen, Datenverarbeitung am PC, Befundbeschreibung, Grabungsbericht schreiben etc. etc. - gemacht hat? Die englischen Bezeichnungen die ich auf den Seiten von bajr gefunden habe verwirren mich doch etwas. Kannst du mir weiterhelfen? und ich gestehe: ich weiss nicht wirklich wie ich single context sheet recording übersetzen soll… Und, rein Interesse halber: arbeitest du in Amman für das CBRL? Oder studierst du dort weiter? Und wie kommt man dazu? Viele Grüsse

Hallo Iris, na klar helfe ich gerne weiter. Die “Hierarchie” auf Grabungen in Grossbritannien auf die man sich allgemein geeinigt hat im Einvernemen mit dem Institute of Field Archaeology mehr oder weniger so aus: [ul] [li]Ausgrabungshelfer (untrainiert): Trainee Site Assistant (meisst unter 6 Monate Erfahrung) [/li] [li]Ausgraeber: Site Assistant/ Site Technician (ueber 6 Monate Erfahrung) [/li] [li]Stellv. Schnittleiter: Assistant Supervisor (mind. 1 Jahr Grabungserfahrung) [/li] [li]Schnittleiter: Supervisor (mind. 2 Jahre Erfahrung) [/li] [li]Grabungsleiter: Project Officer (zwischen 3-5 Jahren, mind. 2 Jahre als Supervisor) [/li] [li]Haupt Grabungsleiter (auf groesseren Projekten mit mehreren Grabvungsleitern): Senior Project Officer (mind. 5 Jahre Erfahrung, davon einiges als Grabungsleiter) [/li] [li]Grabungsmanager: Project Manager (uebersieht die administrative Leitung mehrerer Projekte) [/li] [li]Fundspezialisten/ Archaeobotaniker/ Vermesser/ Bodenkundler etc: werden meisst unter dem Begriff “Specialists” eingestuft. D.h. wenn man mind. 1 Jahr erfahrung mit einem Spezialbereich hat oder einen entsprechenden Abscluss gemacht hat kann man sich auch als Spezialist ausgeben. Wird meisst auf der Ebene deGrabungsleiters bezahlt. [/li][/ul] Ein Studentischer Grabungshelfer wuerde demnach je nach zeitlicher Erfahrung unter die Bezeichnung trainee site assistant oder site assistant fallen. Allerdings verlangen die meissten Grabungsfirmen ‘komerzielle’ Erfahrung anstatt Erfahrung auf Forschungsgrabungen. Falls du bei einem Uni Projekt das im Rahmen der Rettungsarchaeologie stattgefunden hat mitgearbeitet hast, dann solltest du das unbedingt erwaehnen! Ansonsten koennte man annehmen dass es eine reine Forschungsgrabung war. Was die Firmen wissen wollen ist, ob man es gewohnt ist unter typischen Rettungsarchaeologie-Bedingungen zu arbeiten. Ich denke mal mit 3 Jahren Erfarhung auch in anderen Bereichen lohnt es sich auf supervisor oder specialist stellen zu bewerben. Falls du spezifisch nachweisen kannst, dass du Erfahrung in besonders einem Bereich hast und eventuell eine entsprechende Ausbildung gemacht hast (z.B. Vermessungstechniker) dann kann es sein das eine Spezialistenstelle drin ist. Ebenso falls du Magisterarbeit/ oder Diplomarbeite in einem spezifischen Bereich gemacht hast (z.B. Keramikbearbeitung, Bodenkunde oder Anthropologie) dann koennte dies ebenso fuer eine Spezialistenstelle reichen. Single Context Recording wurede woertlich uebersetzt Einzel-Befund-Dokumentation heissen. Ist aber wohl eher mit Graben nach ‘natuerlichen’ Schichten gleichzusetzen. Manchmal wirds auch ‘negative-graben’ genannt. Es lohnt sich aufzuschreiben, wenn man Erfahrung darin hat und nicht nur in Plana gegraben hat, weil Plana in GB nicht gemacht werden sobald man an die Befunde geht. Keine Sorge ist nicht schwer zu lernen wenn du es noch nicht gemacht hat, da das System total logisch ist und man sich richtig schnell reinarbeitet. Das stimmt ich arbeite fuer CBRL in Amman (www.cbrl.org.uk) und bin hier Research Scholar (Forschungsstipendiat). Gleichzeitig mache ich aber einen Fernstudiengang fuer einen Master of Philosophy in Archaeology an der University of Wales. Wie man dazu kommt? Das wuesste ich auch gerne…kommt mir immer noch so vor als ob dies alles nicht wahr sein kann! Nein, Spass beiseite ich wollte eigentlich nach meinem B.A. einen normalen Master Kurs in GB machen, aber dann hat mir ein Dozent die Stellenausschreibung fuer hier gegeben und ich dachte mir ich versuchs’ mal. Habe ein Forschugsvorschlag und einen Lebenslauf eingereicht, bin interviewt worden und dann hatte ich die Stelle. So gehts halt manchmal. Falls du sonst noch Fragen hast dann melde dich. Gruesse aus Amman Tobias