Ausgrabungen am Tempelberg

Hallo Leute, ich möchte einmal die Aufmerksamkeit auf ein politisches Thema, das aber zugleich von höchster archäologischer Wichtigkeit ist, lenken. Vor nunmehr knapp 2 Jahren ist die sogenannte Al-Aksa-Intifada in Israel ausgebrochen. Nach dem fadenscheinigen Grund des Tempelbesuches Ariel Sharon’s. Was viele nicht wissen, der Tempelberg steht offiziell unter der Hoheit Israels; verwaltet wird er aber von der Waqf, der muslimischen Autorität, die über die islamischen Stätten wacht. Bis zum Ausbruch der Intifada, war es Juden mehr oder weniger gestattet, den Tempelberg zu betreten. Seit dem Ausbruch allerdings, dürfen weder Touristen, noch Journalisten oder Archäologen - geschweige denn Juden - auf den Berg. Und das nützen die Moslems aus. Seit geraumer Zeit wird dort heftig gebaut (wie „Die Welt“ am 15.7.2001 berichtete). In einem vorhandenen unterirdischen Hohlraum lassen sie eine riesige Moschee für 11000 Menschen - die „Marawani-Moschee“ errichten. Die Israelis nennen den Raum „die Ställe Salomos“. Archäologen vermuten, dass Kreuzfahrer den Raum im 11. Jahrhundert entdeckten. Was vorher dort war, wurde vernichtet: Ohne archäologische Aufsicht liess Adnan Husseini (der Direktor des Waqf) tonnenweise (!) historische Bausubstanz entsorgen - größtenteils im Gaza-Streifen und im Westjordanland. Gut erhaltene Fundstücke aus dem Bauschutt tauchen bei Antiquitätenhändlern wieder auf. “Der Markt wird seit den letzten Monaten mit neuen Funden überschwemmt”, sagt der Archäologe Gareth Gilmour. “Was Husseini da macht, ist kultureller Raubbau und Vernichtung von historisch äusserst wertvollen Fundstücken“, so der Archäologe. Die Welt hat sich entsetzt über die Zerstörung der Buddha-Statuen durch die Taliban. Warum schweigt sie hier? Warum wird dieses Thema in den Medien beinahe totgeschwiegen? Die Zerstörung dieser Funde hat System, denn immer lauter werden die Stimmen, die behaupten, es hätte auf dem Tempelplatz gar nie einen jüdischen Tempel gegeben. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, kommt noch etwas gravierendes hinzu. Durch die exzessiven Baumassnahmen (die übrigens illegal sind), hat sich der südliche Teil der Westmauer (Klagemauer) und die Südmauer gefährlich nach aussen gewölbt. Ohne Rücksicht auf Statik wird einfach weiter gegraben (Bericht in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 27.8.2002). Die Waqf beschlichtigt. „Wir beobachten die Wölbung schon seit den 70-er Jahren. Sie ist stabil, wir denken nicht, dass sie eine gefährliche Situation darstellt“, behauptet Husseini. Dagegen haben führende israelische Archäologen einen Brief an Ministerpräsident Sharon gesendet. In dem Brief wurde dem Premierminister mitgeteilt, dass „die Ausdehnung der Südmauer in letzter Zeit zugenommen hat und dass die Situation, die sich in den vergangenen sechs Monaten ergeben hat, nicht mehr rückgängig (!) zu machen ist.“ „Wir warnen Sie und machen Sie darauf aufmerksam, dass die Wand in diesem Gebiet bald zusammenbrechen wird“, heisst es in dem Brief. „Die Gefahr eines Zusammenbruchs steht nahe bevor und sie ist real.“ Quizfrage: Was glaubt ihr, was passieren wird, wenn die Al-Aksa-Moschee einstürzt und wer dann wohl schuld daran ist?

Hallo Besito, wie wir alle sicherlich wissen sind Politik, Geschichte und archäologische Denkmäler selten so klar voneinander getrennt wie man es sich wünschen möchte. Dies ist gerade im Mittleren Osten keine Neuigkeit. Die von Ihnen beschriebenen Aktivitäten am Tempelberg in Jerusalem sind gleichfalls leider auch keine Neuigkeit. Seit der Eroberung der besetzten Gebiete und Jerusalems durch die Israelischen Streitkräfte 1967 hat es immer wieder Unstimmigkeiten und Streit um Bauvorhaben und die Erhaltung von archäologischen Stätten am Tempelberg gegeben. In einem Konflikt in dem Religion und die Vergangenheit fundamental mit gegenwärtigen politischen und sozialen Konflikten in Verbindung gebracht werden, ja sich größtenteils darauf beziehen, ist es keine Überraschung das gerade der Tempelberg immer ein Katalysator von diesen kulturellen Auseinandersetzungen ist und auch in der Zukunft sein wird. Ich bin ein wenig verwundert auf der einen Seite in Ihrem Beitrag zu lesen, daß weder Archäologen noch Journalisten im Bereich der Al-Aksa Moschee zugelassen werden, um dann aber zu erfahren das Zeitungen eine äußerst schlimme, ja katastrophale Situation beschreiben. Hier liegt offensichtlich eine Diskrepanz vor. Wie können die Zeitungen von solch katastrophalen Zerstörungen wissen, wenn es ihnen nicht erlaubt ist Reporter auf den Tempelberg zu senden? Dies läßt mich stutzen und die gegebenen Berichte kritisch betrachten. Zeitungsberichten der Jerusalem Post diesen Jahres die mir bekannt sind hat der Leiter der Jerusalemer Polizei die Bautätigkeiten auf dem Tempelberg im Januar und Februar diesen Jahres besucht und die Situation fotografisch dokumentiert und kam dabei zu der Schlußfolgerung, daß es sich bei den Arbeiten um die Verlegung neuer Wasserleitungen handelt, für die Gräben mit einer Tiefe von 40 cm gegraben wurden. John Seiligman von der Israelischen Denkmalschutzbehörde hat allerdings in einem späteren Besuch in der Tat die Bautätigkeit als problematisch bewertet. Mr. Seligman ist wohl in der Lage gewesen sich vor kurzem ein Bild vor Ort zu machen, zusammen mit Mitgliedern der Knesset. Allerdings wird hier keinesfalls von dem Bau einer Moschee für 11 000 Gläubige gesprochen, sondern lediglich von Verbindungswegen zu bereits existierenden Bauwerken. Ich glaube auch nicht das Bautätigkeiten die auf einer solchen Skala stattfinden würden unbemerkt blieben, noch das die Muslimische Gemeinde das Risiko einer dauerhaften Beschädigung des dritt-heiligsten Ortes des Islam eingehen würde. Es ist wie auch immer auch klar, daß seitdem der Tempelberg von der Waqf kontrolliert wird es zu c. 37 Verstößen gegen Denkmalschutzauflagen gekommen ist. Diese Situation ist weder gut noch wünschenswert, aber wer die Situation in Sachen Denkmalpflege im Mittleren Osten näher kennt, wird wissen, daß solche Verstöße alles andere als ungewöhnlich sind, auf Arabischer, sowie als auch auf Israelischer Seite. Weiterhin liegt es oftmals leider auch im Auge des Betrachters, was man als Zerstörung oder notwendige Maßnahme betrachten kann. Die Situation stellt sich mir im Großen und ganzen so dar, als ob in der Tat eine Zerstörung stattgefunden hat, welche bedauernswert und natürlich gesetzwidrig ist. Allerdings muß ich sagen, daß auch dies im Angesicht der Situation nichts neues oder verwunderliches ist und die Baumaßnahmen die stattgefunden haben waren eventuell notwendig und die Zerstörung archäologischer Überreste kalkulierbar. Man muß bedenken, daß man in Städten die eine solche Geschichte haben wie Jerusalem man nirgendwo auch nur einen Spaten in den Boden stechen kann ohne dadurch archäologische Schichten zu schneiden. Angesichts der chaotischen Situation in der Palestinensichen Autonomiebehörde und der dazugehörigen Antiquities Authority ist es nicht verwunderlich, daß es keine begleitenden archäologischen Maßnahmen von Palestinensischer Seite gegeben hat. In diesem schrecklichen Konflikt in dem Menschen auf beiden Seiten unnötigerweise sterben und Leid erfahren ist es eine Tatsache das beide Seiten Archäologie und Geschichte benutzen um gegenwärtige politische Ziele zu rechtfertigen und zu formulieren. Ich vermute daher, daß die derzeitige Aufregung um die Bautätigkeit auf dem Tempelberg teilweise von diesen Gegebenheiten beeinflußt wird. Hierbei wird es zwangsläufig dazu kommen, daß bestimmte Tatsachen und Situationen verzerrt wiedergegeben werden, die Bautätigkeiten am Tempelberg also möglicherweise um einiges dramatischer dargestellt werden, als es wirklich der Fall ist. Dies ist bedauerlich vor allem für den Schutz der archäologischen Stätten und Denkmäler in der Region. Es wäre wohl begrüßenswert, wenn hier internationale, neutralere Organisationen die Spannungen zwischen beiden Lagern überbrücken könnten und Bautätigkeiten und Erdbewegungen archäologisch zu überwachen oder zu begleiten. Da der Tempelberg seit langer Zeit Weltkulturerbe ist wäre die UNESCO sicherlich eine passende Organisation, die gleichzeitig freier und unvoreingenommener arbeiten könnte. UNESCO könnte dafür sorgen, daß alle Seiten die Vorschriften beachten, Archäologen Bautätigkeiten überwachen und daß Menschen aller Religionen und Nationalitäten den Reichtum der historischen Hinterlassenschaften des Heiligen Landes erfahren können. Dazu allerdings ist es wohl notwendig das der Arabisch-Israelische Konflikt mit seiner grausamen, andauernden Gewalt sich soweit beruhigt hat, daß man damit beginnen kann Archäologie wieder als Lehre der menschlichen Vergangenheit zu verstehen, anstatt als politisches Machtmittel. Vorher wird es auch keinen besonnen und auf akzeptierten Normen basierenden Denkmalschutz in der Region geben und man sollte nicht unbedingt einseitige Beschuldigungen aussprechen. Ich danke Ihnen jedenfalls, daß sie die Thematik hier zur Sprache gebracht haben. Ich habe vor in den nächsten Wochen nach jerusalem zu reisen und hoffe, daß ich mir bei dieser Gelegenheit selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen kann. Mit freundlichen Grüßen, Toby

guten tag toby, besteht aussicht, daß das forum mal einen kleinen bericht erhält über die erkenntnisse der damals angekündigten reise? wie sieht die situation dort jetzt aktuell aus? mit allerbestem gruß max

Hallo Max, dein Posting ist ein interessanter Zufall, da ich gerade im Augenblick in Jerusalem bin. In der Tat stellt sich ein Besuch des Tempelberges durch Auslaender in der derzeitigen politischen Lage als beinahe unmoeglich dar. Die Waqf (die Islamische Autoritaet die den Tempelberg verwaltet) erlaubt zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang zu den heiligen Staetten auf dem Tempelberg durch nicht-Muslime. Zeitgleich erlauben die israelischen Sicherheitsbehoerden keinen Zugang zur al-Aqsa Moschee fuer Maenner unter 45 Jahren. Besuche von Touristen im vergangenen Sommer, die von den israelischen Sicherheitsbehoerden authorisiert worden waren, fuehrten beinahe zu gewalttaetigen Ausschreitungen und zu heftigen Protesten der Waqf. Zugang zur Westmauer des Tempelberges (Klagemauer) sind jedoch, nach diversen Sicherheitschecks, kein Problem. Mein letzter Besuch dort hat im Juni diesen Jahres stattgefunden und ich sah bei dieser Gelegenheit keine Spuren von Bautaetigkeiten oder offensichtlichen Beschaedigungen. Alle Aktivitaeten die den Tempelberg betreffen sind natuerlich staendig von politischen Raenkespielen beeinflusst und die Frage wer Kontrolle ueber diesen Ort ausuebt ist eine Quelle weitreichender Ausseinandersetzungen. Daher sollte immer Vorsicht geboten sein, wenn in einer Reihe von Zeitungen Artikel erscheinen die der einen oder anderen Seite vorwerfen sie sei dabei die Monumente des Tempelberges zu beschaedigen. Toby

guten tag toby, vielen dank für den prompten, umfassenden und informativen bericht aus jerusalem. da du gerade in jerusalem bist erlaube ich mir gleich noch eine weitere frage. gestern verbreitete “standard” aus österreich eine meldung über den fund einer inschrift auf einer 18 mtr. hohen stele. der text beinhaltet einen bibeltext der auf zacharias, vater von johannes den täufer hinweist. ort des geschehens ist das kidron-tal zwischen jerusalem-altstadt und dem ölberg. ungewöhnlich deshalb, da sonstige bibelzitate erst um 100n.chr. üblich wurden. selbst sehe ich die sache auch sehr skeptisch, kann man bei dir “vor ort” vielleicht mehr erfahren? mit allerbestem gruß max

Hallo Max, tut mir leid ueber diesen Fund ist mir leider nichts bekannt. Ich muss zugeben, dass biblische Archaeologie nicht gerade meine bevorzugte Spielwiese ist. Ausserdem bin gestern schon wieder aus Jerusalem nach Amman gefahren. Falls ich etwas hoere, lass ich es dich auf jeden Fall wissen. Gruesse aus Amman Toby