Die Kreuzzüge

Hallo zusammen, Ich wollte einfach mal fragen was ihr persönlich davon haltet.Ich will damit niemandem zu nahe treten,aber glaubt ihr das die Katholische Kirche damals nur ihre Macht auslassen,oder waren die Könige damals nur so dumm und haben mitgemacht? Das wars, William d.Eroberer
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Deine Frage zeigt eigentlich nur, dass Du dich kaum mit dem Thema beschäftigt hast. Bitte präzisiere was Du willst!!!

Kreuzzüge sind ein sehr heikles Thema. Am Anfang waren es Glaubenskriege, vor allem für die Kämpfer selbst, die Kirchenoberhäupter hatten wohl schon damals andere Ziele. Der Tiefpunkt jedoch war der 6. (glaub ich) Kreuzzug, der nicht einmal mehr nach Jerusalem führte, sondern nach Konstantinopel, um die Stadt zu erobern. Es kämpften also Christen gegen Christen, was man dann meiner Meinung abslólut nicht mehr als Glaubenskrieg bezeichnen konnte, sonder einfach als Eroberungskrieg. Damitdas jetzt nicht falsch rüberkommt: Ich bin kein Vertreter der Meinung: “Ach die Kreuzzüge waren doch gar nicht so schlimm.” Die Kreuzzüge waren von Anfang an ein meiner Meinung nach sinnloses Unternehmen, bei dem zu viele Menschen gestorben sind. Und man sieht auch, dass eigentlich kaum einer der Soldaten aus religuösen Gründen mitgekämpft hat. Gründe waren eher: Abenteuertum ,Macht, Reichtum, nichts zu verlieren, Freund begleiten etc.

Ist tatsächlich etwas unpräzise die Fragestellung, schon weil sich die “katholische” Kirche natürlich erst nach den Luther’schen Reformen und dem darauf folgenden Schisma als solche bezeichnete. Ansonsten hatten die Kreuzzüge natürlich als primäres Ziel die Christianisierung der Levante und die Zurückdrängung des Islam, was im Sinne des Missionierungsgedankens natürlich zunächst mal nichts schlechtes war (aus Sicht der Kirche) und es gab sicher viele unter den Heerführern, die an diese Idee auch geglaubt haben. Aber das insgesamt ziemlich brutale Vorgehen der europäischen Heere und die zunehmend politisch-terretoriale Zielsetzung (Erhalt bzw. Rückeroberung bereits eroberter Gebiete) führte das ganze letzlich ad absurdum. Der Angriff auf Konstantinopel ist in der Tat wohl die schwärzeste Stunde der Kreuzzüge, dies hatte mit der ursprünglichen Idee natürlich garnichts mehr zu tun…

Das ist so nicht richtig. Ziel aller Kreuzzüge war - zumindest von der Ideologie her - die Befreiung der Heiligen Stätten und die Sicherung der Pilgerwege, weil die “Heiden” die Heiligen Stätten nicht nur an sich gerissen hatten, sondern auch noch die Pilger dransalierten. So ein Christenmassaker war zumindest Auslöser des ersten Kreuzzuges. Im Vergleich zu dem, was die Kreuzfahrer dann aber in Jerusalem anrichteten, war das aber ein etwas überzogenes Späßchen. Zumal die meisten Opfer wahrscheinlich eh Christen waren; da die Gebiete ja erst seit vergleichsweise kurzer Zeit von den Arabern und später Turkstämmen an sich gerissen worden waren. Der berüchtigte Kreuzzug, bei dem Konstantinopel platt gemacht wurde, ist übrigens der vierte gewesen - gleich zu Beginn des 13. Jhd. Wenn ich mich recht entsinne so um 1204 rum. Ich bin jetzt zu faul nachzusehen. Weil die Muslime (ich glaub das waren schon der Turkstamm der Seldschukken) wieder mal den unfähigen Byzantinern riesige Gebiete geraubt hatten, wandte sich dieser an den Papst, damit er den Christen durch einen Aufruf zum Kreuzzug zu Hilfe käme. Etwas verkürzt: Die Hilfe kam, man konnte sich nicht so recht auf Bezahlung einigen, sondern ließ sich in Hofgezänk verwickeln. Dann dauerte es den Befreiern zu lange und sie taten sich an Konstantinopel gütig. Damals plünderten die Westchristen vor allem Reliquien in großer Zahl und verhielten sich auch sonst nicht gerade fein. (So hatten sich zum Beispiel die meisten heidnischen oder arianischen Barbaren bei der Völkerwanderung selten verhalten). Mit Christentum hatte das null zu tun. Das war ein einziger Raubzug. Das ist auch der eigentliche bis heute wirksame emotionale Grund der Spaltung von West- und Ostkirche. Nur durch das Fehlen des Schutzes der Heiligen konnten - so die Byzantiner die fremden Eroberer Konstantinopel einnehmen.

1204 stimmt, der Rest ist ein wenig abgeflacht. Der 4. Kreuzzug war der erste, den der Papst persönlich anführen wollte (Innozenz der ich weiß nicht wievielte), die europäischen Herrscher sollten außen vor bleiben, sie hatten es nach der allgemeinen Meinung bisher immer nur vermasselt. Er übersah daß er als Papst garnicht die Möglichkeiten dazu hatte (Keine geübten Heerführer, nicht genügend Kapital). Er (oder seine Gesandten) handelten mit den Venezianern die Überfahrt aus. Allerdings kam nicht einmal die Hälfte der angekündigten Kreuzzugsteilnehmer, die Venezianer wollten aber den kompletten Fahrpreis. Soviel hatten die Kreuzfahrer aber nicht, also mußten sie für Venedig Zara, eine ungarische Stadt erobern. Sie taten es, Papst war entsetzt, exkommunizierte die gesamte Kreuzzugsschar (muß man sich mal vorstellen), mußte aber irgendwie das Unternehmen fortsetzen. In dieser Situation kam der frisch abgesetzte Thronpretendent aus Byzanz, zusammen mit Gesandten des deutschen Königs Philipp von Schwaben (sein Schwager), sie überredeten die Barone das Heer nach Byzanz zu leiten und den neuen Herrscher abzusetzen. So geschah es, der Papst war erstmal dankbar (das Schisma schien beendet), aber als er von den Gräueltaten hörte, raufte er sich die Haare.Ergebnis im Endeffekt: Venedigs Herrschaft im östlichen Mittelmeer, Chaos im lateinischen Kaiserreich und im Endeffekt war 1452 der Fall Konsantinopels die logische Konsequenz. Im übrigen glaub ich ganz sicher, daß die Kreuzfahrer von ihrer christlichen Mission überzeugt waren, es ist einfach, heute die Kreuzfahrer als niedrige Halunken und Schlagetots hinzustellen. Aber niemand macht eine Reise von mehreren Monaten mit unbekanntem Ausgang, gewaltigen Verlusten, Auszehrung und Hunger, in der Hoffnung ein wenig plündern zu können. Das hätten sie in Europa auch einfacher haben können

Danke für Deine Ergänzungen. Diese waren mir bekannt. Ich wollte keinen Traktat über den vierten Kreuzzug schreiben. Es ist auch nicht meine Absicht gewesen in typisch neuzeitlicher Manier alles, was früher gewesen ist, einfach als Dummheit, übele Machenschaften und rein gewinnorientiert abzustempeln. Aber eines ist doch sicher, daß ein guter Teil der Kreuzfahrer des vierten Kreuzzuges zu Hause nicht erbberechtigt waren. Und daß sie Raufbolde waren, glaube ich trotzdem. Abgesehen von den Rittern der Kreuzritterorden, die harte Disziplin zusammenhielt, ließ sich doch kaum ein Ritter von einem Kampf abbringen, selbst wenn es fast offensichtlich ein Hinterhalt war, in den er gelockt werden sollte - einfach, weil einen Kampf vermeiden weitgehend als unehrenhaft galt; denn die meisten Ritter waren Einzelkämpfer. Außerdem war ja auch denen, die im Kampf gegen die Heiden fielen, die Anerkennung als Martyrer sicher. Und beim Lebenswandel manch eines dieser Herren, war das auch religiös sehr attraktiv, weil damit sowohl die Sünden(lossprechung) als auch der Nachlaß der Sündenstrafen (Ablaß) inkludiert war. Im Lebenswandel unterschieden sie sich aber nicht von ihren daheim gebliebenen Brüdern. Dieser Lebenswandel schließt keinesfalls tiefe religiöse Überzeugungen aus. Soweit ich aus mittelalterlichen Büchern (“Romane”, Legenden und Chroniken) weiß, war diese Ambivalenz im Leben und Erleben von Religion, Leben und Tod des mittelalterlichen Menschen ein Konstitutivum - ein Leben zwischen Mirakeln und Ordinärem, Heiligem und Profanen ohne großen Übergänge. Entschuldige bitte, wenn ich diesen Themenkomplex etwas zu verkürzt dargestellt habe.

Ich bin mir da nicht so sicher, was die Teilnehmer angeht. Kreuzzüge sind eine Sache des Zeitgeistes. Ritter sind Berufssoldaten, zugleich aber auch Träger eines Standesethos. Es ist ihre Pflicht gewesen, an diesem Kreuzzug teilzunehmen. Auch heute kann man nicht sagen, daß jeder Berufssoldat ein Raufbold und Killer ist. Schwarze Schafe gibt es immer und Exzesse entwickeln sich oft aus sich selbst heraus. Man darf auch nicht vergessen, daß es auch den Kreuzzug der Kinder und den der Armen gab, die von den ehrlichsten Hoffnungen der Zeitgenossen begleitet wurden. Die Menschen glaubten an die absolute Notwendigkeit, an den Erfolg und die Aufrichtigkeit dieser Unternehmungen. Deus Volt - Gott will es, das ist kein Spruch, sondern die tatsächliche Überzeugung. Die Christen, die im heiligen Land lebten, dachten vielleicht anders, sie kannten die Verhältnisse und paßten sich der tatsächlichen Lage an. Aber der fränkische Ritter war bestimmt von der Richtigkeit seines Tuns zu 100 % überzeugt.

Man muß das europäische Heer und seine Zielsetzungen sicher etwas differenzierter sehen: Ohne Zweifel gab es Ritter im besten Sinne, denen es am Anfang noch um den Dienst am Christentum ging, aber gerade beim vierten Kreuzzug zeigte sich, wie “verführbar” dieser heterogene Haufen war: Mag die Eroberung Zaras noch aus der Zwangslage der Kreuzfahrer heraus erklärbar sein, so hat doch der Angriff auf Konstantinopel für die meisten Teilnehmer nur noch den einen Zweck: Zu rauben und zu plündern. Ganz anders der weitsichtige Dandolo, der die Schlagkraft des Heeres für seine Zwecke nutzt um darauf die künftige Handelsmacht Venedigs im östlichen Mittelmeer zu gründen.

Wenn ich Raufbold sagte, meine ich ausdrücklich nicht Killer, das ist eher “sportlich” gemeint. Ich meine auch nicht, daß man die Ritter mit dem Begriff “Berufssoldat” umschreiben kann. Das sind mE frühestens die Landsknechte. Diese Ritter waren von der Ideologie her - wenn sie nicht eingebunden waren in ein Lehensverhältnis - ja eher mit der neuzeitlichen Gestalt des Lucky Luke, dem einsamen Streiter für Gereichtigkeit, zu vergleichen (ich weiß daß dieser Vergleich jetzt beidseitig sehr, sehr hinkt). Man galt durch die Tat und gehorchte nur dem Besseren bzw Tüchtigeren auf freiwilliger Basis. Diese Heterogenität, besser Führerlosigkeit, war ja auch der Grund, warum die Kreuzfahrerheere für die arabischen Staaten nie eine echte Bedrohung gewesen waren - mal abgesehen vom 2. Kreuzzug bis zum Tode Kaisers Barbarossas.

Nun, abgesehen davon, daß es in der Levante arabische “Staaten” im modernen Sinne natürlich noch garnicht gab, sondern eher eine Reihe unterschiedlich mächtiger Stammesfürsten mit ständig wechelnden Terretoriengrenzen, war die militärische Bilanz der Kreuzritter doch garnicht so schlecht - insbesondere dem ersten Kreuzfahrerheer, das wohl am meisten von Führungs- und Richtungslosigkeit geprägt war, hatten die arabischen Heere nichts entgegenzusetzen. Nur war es mit den Eroberungen natürlich nicht getan, das Problem war fortan das Halten der Gebiete und das ist, inmitten des “Feindeslandes”, garnicht so einfach. Die ansässigen arabischen Stämme hatten letztlich den längeren Atem, da sie natürlich ständig neue Kämpfer ausbilden und ins Feld schicken konnten, während die Besatzungen der fränkischen Festungen so langsam vor sich hin schmolzen. Im übrigen kann man natürlich keineswegs alle Kreuzzüge über einen Kamm scheren: Einer wurde ja sogar, gut vorbereitet und organisiert, von einem Kaiser angeführt. Dessen Tod (Friedrich Barbarossa) brachte das Unternehmen dann allerdings auch zum Erliegen. Auch der alte Dandolo hatte “sein” Heer natürlich gut im Griff, auf seine Art versteht sich und mit weniger hehren Zielen…

Hallo! Ich möchte vorausschicken das ich mich mit Ahnenvorschung beschäftige. Im Endeffekt habt Ihr beide Recht, nur eines darf man nicht vergessen,das früher das Wort oder besser gesagt der Begriff Ehre noch wirklich etwas galt. im gegensatz zu heute. Es war die Höchste Tugend. Und dadurch ist der Begriff Raufbolde total falsch. Wenn man sich heute mit dieser Zeit auseinandersetzt dann muß man versuchen dies mit den damaligen Wertvorstellungen zu sehen. Weiters darf man nicht vergessen das die allgemeine Bildung damals praktisch null war - d. h. wirklich lesen u. schreiben konnten nicht viele, es gab sogar Grafen die dies nicht konnten. Ich bin im Besitz einiger Urkunden wo dies beweisbar ist. Was will ich damit sagen, - desto weniger Bildung ( bzw. Volksbildung ) desto höher die Bereitschaft in einen Krieg zu ziehen.Und das gilt auch heute noch - siehe zb.Afrika Und dadurch galt das Wort der Kirche absolut ( Ich glaube an Gott, bin aber mit vielen was die Kirche (u. das muß man Unterscheiden) nicht Einverstanden). Und genau das war zu der damaligen Zeit unmöglich, denn dies wäre Gotteslästerung gewesen.Von den Kreuzrittern wahr jeder davon überzeugt das Richtige zu tun ( im Namen der Kirche) Gruß Günther

Wenn man das eroberte Land ansieht, dann war die militärische Bilanz wirklich nicht so schlecht. Aber mein Urteil bezog sich vor allem auf die vorher erklärten Ziele und das hieß doch zumeist: Jerusalem und Sicherung der Pilgerrouten, so daß Greuel wie unter dem Kalifen Hakim nicht wieder vorkommen konnten. Das mit der Bereitschaft zum Kreuzzug als totale Gehorsamsleistung gegenüber der Kirche ist etwas weit hergeholt. Ich halte es vielmehr im Gegenteil sogar für eine erste emanzipatorische Bewegung im religiösen Bereich - jetzt endlich konnten auch die Ritter als Ritter etwas für Jesus tun, ohne die “Pfaffen”. Die Kreuzfahrerheere waren ja letztlich nur selten im Einklang mit Rom. Manchmal arbeitete die römische Zentrale sogar bewußt gegen die Kreuzfahrer;wohl auch weil man einen zu erfolgreichen Kreuzzug, den sich der Kaiser allein auf die Fahnen schreiben konnte, auch nicht wollte. Schlimmer als alle Heiden waren in Europa halt immer noch die anderen politischen Gegner. Ein dritter Gegner waren dann immer auch noch die Venezianer, die auch nicht gerne sahen, daß sich noch eine Macht im östlichen Mittelmeerraum etablierte. Letztlich war der Fall von Rhodos ja auch der Blockadehaltung der Venezianer zu verdanken, die - aus ökonomisch verständlichen Gründen - jegliche Unterstützung für die Johanniter ablehnten.

@günther: Du mußt je eine beeindruckende Ahnenreihe haben, wenn Du im Zuge ihrer Erforschung im frühen Mittelalter landest :wink: Keine Frage - um ein “moralisches” Urteil zu fällen muß man sich natürlich auch in den moralischen Kodex einer Epoche hineinversetzen, aber dennoch müssen wir uns auch ein eigenes Urteil über Richtiges und Falsches in unserer Geschichte bilden. Und Kritik an den Kreuzfahrern ist insbesondere dann angebracht, wenn sogar Zeitgenossen ihr Verhalten verdammen: Nicht ohne Grund wurde das gesamte Heer des vierten Kreuzzugs zeitweilig (nach der Verwüstung Taras) exkommuniziert und es kann mir niemand erzählen, daß auch nur einer der plündernden Ritter in Konstantinopel (nicht einmal die Kirchen waren vor ihnen sicher!!) noch an die Ehrenhaftigkeit seines Verhaltens glaubte! Nebenbei war der Begriff “Ehre” im Mittelalter deutlich anders belegt als heute: Vor allem Treue (seinem Dienstherren gegenüber), Tapferkeit und edle Herkunft machten den Ritter zu einem ehrenhaften Menschen. Heute gelten eben andere Werte. Im übrigen kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum die Bildung per se die Bereitschaft in Kriege zu ziehen mindern sollte: Seit dem frühen 19.Jh, wo das allgemeine “Bildungszeitalter” hereinbrach, wurden die Kriege in der Welt sogar immer häufiger und brutaler - der Geist dahinter ist jedoch immernoch der des finstersten Mittelalters! Es kommt nicht auf Bildung, sondern auf das Vermitteln ethischer Werte an - und das bringt der unbelesene Bauer seinem Buben u.U. besser bei als ein Sozialwissenschaftler…

Shalömle, also mal ein paar kleine Anmerkungen: Auslöser des Aufrufes zum Kreuzzug waren folgende Faktoren: a) Islamisierung Nordafrikas. 1095 war die Anzahl der dortigen Bistümer von 47 auf 5 gesunken und das innerhalb von 30 Jahren. b) Hilferuf Alexius 1. Komnenus von Byzanz der Unterstützung gegen die Seljuken brauchte c) Eroberung Jerusalems durch die Seljuken 1076 und die in der Folge exorbitanten Wegezölle für Pilger, sowie zahlreiche tätliche Angriffe auf Pilger (allerdings ist mir von Massakern nichts bekannt) Die “Befreiung” Jerusalems wurde von Papst Urban II. in keinem Wort in Clermont erwähnt, dies verselbstständigte sich erst in den folgenden Jahren. Das Fatimidenreich, ebenso wie das Kalifat der Abbasiden in Baghdad als Territorien mächtiger “Stammesfürsten” zu bezeichnen ist, na ja, unbedarft. Diese Reiche waren straffer organisiert als jedes westliche Königreich. Das 1. inoffizielle Kreuzheer unter Walter sans Avoir und Peter dem Eremeiten wurde vom Sultan von Rum übrigens vollständig aufgerieben. Zum Pech für den Emir war das nächste Heer nicht ein ähnlicher diszplinloser Haufen, wie er ihn vielleicht erwartet hatte. Antiochia fiel nicht durch die Genialität der Kreuzfahrer, sondern durch den Verrat eines Waffenschmiedes. Die Kreuzfahrer hatten einzig und alleine Glück das sich Abbasiden und Fatimiden bekämpften, sonst wären sie wohl bereits an Antiochia gescheitert. Denn Al-Afdal, Wesir der Fatimiden, eroberte lieber Jerusalem von den Abbasiden zurück, als das belagerte Antiochia zu entsetzen. Zur Ritterschaft: Die Ritter als Berufssoldaten zu bezeichnen ist vollkommen richtig. Ohne Krieg bzw. Kampf war der Ritter nichts. Aus diesem Grund war mit dem Aufkommen der großen, disziplinierten Pikenierhaufen, sowie dem Einsatz der Langbogen bzw. Armbrüsten ab Anfang/Mitte des 14. Jahrhunderts ihr Untergang eingeleitet. Ebenso zu nennen ist die Aufspaltung der Ritterschaft in Ritterorden des Hochadels wie den Hosenbandorden (1348) und klägliche Ritterbünde wie den St. Jörgenbund in Schwaben, die den normalen Ritter zum Niederadel machte. Um die Charakteristika der Kreuzritter zu beleuchten, nenne ich ein Zitat eines ihrer Zeitgenossen aus Shaizar, Usama ibn Munqid: “Jeder, der auch nur irgendetwas über die Franken weiß, betrachtet sie als wilde Bestien, die alle anderen an Tapferkeit und kriegerischem Geiste übertreffen, genauso wie Tiere uns überlegen sind, wenn es auf Stärke und Aggression ankommt.” Empfehlenswerte Literatur, die mal eine andere Sicht als die der christlichen Chronisten kolportiert: F. Gabrieli: Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht. Zürich/München 1973. Ibn Al-Qalanisi: The Damascus Chronicle of the Crusades. London 1932. H. Halm: Die Kalifen von Kairo. Die Fatimiden in Ägypten 973 – 1074, München 2003. H.-E. Meyer: Die Geschichte der Kreuzzüge. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1985. J.F. Verbruggen: The art of warfare in western Europe during the Middle Ages, Amsterdam/New York/Oxford 1977

Nun, Kairo und Bagdhad waren in der Tat die Brennpunkte der mittelalterlichen arabischen Welt, aber beide sind auch letztlich nicht mehr der Region zuzuweisen, die im strengen Sinne “Levante” (und davon sprach ich!) genannt wird. Es geht schließlich um die von den Kreuzfahrern eroberten Küstengebiete, also erstmal richtig lesen bevor man “Unbedarftheit” unterstellt! Abgesehen davon hatten die Abassiden selbst zu dieser Zeit bereits so sehr an Macht verloren (Dein Namensvetter machte dem Abglanz ihres Herrschaftsanspruchs dann ja auch den Garaus) daß sie kaum noch Einfluß auf die fraglichen Küstenregionen mehr hatten. Der von Dir erwähnte Begriff “Kalifat” verkörpert zudem in erster Linie eine religiöse Führungsrolle, die sich keineswegs mit weltlichen Herrschaftsverhältnissen decken muß - diese waren (und sind es teilweise bis heute) eher von Stammeszugehörigkeiten bzw. Dynastien geprägt, der Aufstieg Saladins ist ein gutes Beispiel für diese Diskrepanz. Mit keinem Wort habe ich im übrigen behauptet, daß die arabischen Fürstentümer schlechter organisiert und geführt wurden als die westlichen Reiche, nur den modernen Begriff “Staat” (dem ich “Fürstentümer” entgegengestellt habe) kann man in dieser Zeit eben allenfalls auf Byzanz oder das Fatimidenreich anwenden. Desweiteren habe ich auch nicht dieses erste, schon im Vorfeld weitgehend aufgelöste Kreuzheer angesprochen, sondern den ersten “offiziellen” Kreuzzug, der die Region in der Tat erstmal ganz schön verändert hat: Praktisch die gesamte Küstenregion Palästinas war zeitweilig in der Hand der Kreuzfahrer, es wurden drei Fürstentümer (Jerusalem, Antiochien und Tripolis) neu gegründet und mitten im ‘Feindesland’ auch fast ein halbes Jahrhundert lang gehalten! Also “einzig und alleine” mit Glück ist so etwas jedenfalls nicht zu bewerkstelligen! Was Nordafrika angeht: Tatsächlich richteten sich erst die späten Kreuzzüge unmittelbar gegen den Islam in Nordafrika (Damiette, Tunis), auch wenn dies der Kirche ein schmerzlicher Dorn im Auge war. Der fortschreitende Verlust Nordafrikas trug sicher zu einer anti-islamischen Grundhaltung in dieser Zeit bei, diese Gebiete waren aber zunächst nicht Ziel militärischer Operationen. Was Dein Zitat angeht: Ich bin der letzte der die Gesinnung der Kreuzfahrer konsequent verteidigen würde (s.o.), aber einem zeitgenössischen Araber Objektivität zu unterstellen scheint mir doch, um es mit Deinen Worten zu sagen, eher unbedarft.

Ich möchte dem voll zustimmen und noch einiges ergänzen. Jerusalem ist schon früher erobert worden. Es stand unter arabischer Vorherrschaft als die Seldschukken es eroberten. So war es Kalif Hakim der 1009 ohne ersichtlichen Grund die Grabeskirche zerstören ließ. Gerade unter seiner Herrschaft wurden Christen und Juden ganz besonders verfolgt. Für die Christen in Europa bestand damals der Eindruck, man müsse die Glaubensbrüder verteidigen. 1071 verloren die Byzantiner gegen die Seldschukken bei Manzikert nicht nur einen Krieg, sondern letztlich auch den Status als Großmacht. Saladin: Dir ist nichts von Massakern der Muslime bekannt? Nun das bekannteste ist das nach der Eroberung von Ani (Hauptstadt von Armenien). Die Bevölkerung der Stadt wurde auf unmenschlichste Weise hingeschlachtet, das silberne Kreuz der Kathedrale heruntergerissen, eingeschmolzen und zur Schwelle einer Moschee gemacht. Ich kann das Gefühl eines gewissen Grolls bei den Christen durchaus nachempfinden und auch den Wunsch, diesen Bestialitäten etwas entgegenzusetzen. Das Gefühl bedroht zu sein, war ja nicht allein auf Konstantinopel und Nordafrika allein beschränkt. 846 eroberten die Sarazenen das Heilige Rom und hielten die Stadt ein Jahr lang besetzt. Sie zogen sich dann nach Ostia zurück und erreichteten dort das Kalifat von Ostia. Die Leoninischen Mauern in Rom sind zum Schutz gegen diese allzeit präsente Bedrohung entstanden. Es gibt bis heute eine muslimische Gemeinde bei Rom, die sich auf diese Zeit zurückführt, die sich aber ganz als Europäer fühlen. Pogrome wie im europäischen Mittelalter gegen die Juden waren ebenfalls im arabischen Bereich bis hin nach Europa üblich - mit sehr ähnlichen Anlässen übrigens. Von der oftmals in den westeuropäischen Büchern beschworenen Toleranz der Muslime nirgendwo eine Spur. Selbst für den spanischen Bereich, wo ja immer für die Frühzeit der Besatzung immer von einem toleranten Islam gefaselt wird, gilt das höchstens für die ersten 50 Jahre (bis man sich in der Macht gefestigt genug sah). Ein Maimonides mußte 20 Jahre als Muslim leben, um nicht enthauptet zu werden. Die Türken waren da etwas toleranter als die Araber. Es bestand einfach das Gefühl einer großen permanenten Bedrohung durch den Islam, dessen Anspruch auch politisch - bis heute - Weltherrschaft ist.

Noch ein Nachtrag. Auch der Begriff Kreuzzug ist modernen Ursprungs. Es war zwar im Bewußtsein der Zeit schon etwas qualitativ anderes, aber im Prinzip doch nur eine bewaffnete Wallfahrt, was Gottfried von Bouillon und andere da getan hatten.

Shalömle, zunächst möchte ich mich für den Gebrauch des Wortes “unbedarft” entschuldigen. 1.) Die “Levante” stand unter direktem fatimidischem und abbasidischem Einfluß. (Natürlich meine ich mit letzterem die Seljuken, aber sie operierten im Namen des Baghdader Kalifen) 2.) Kalif ist natürlich auch die Bezeichnung für den religiösen Führer. Aber da im Islam Staat und Religion nicht getrennt werden (sollen), ist der Kalif auch das weltliche Oberhaupt. Nominell war das weder im Fatimiden- noch im Abbasidenreich getrennt, realpolitisch begannen die Wezire spätestens ab 1036 in Kairo mit Al-Gargarai die wahre Macht im Staate zu werden, 1050 erreicht das Wezirat unter Al-Yazuri eine noch nie dagewesene Machtfülle. Im Abbasidenreich war diese Entwicklung mit der Übernahme des Sultanats 1040 durch Togril Beg bereits abgeschlossen. 3.) Nochmal: Ohne Verrat wäre die 9monatige Belagerung Antiochias wohl fehlgeschlagen. Ich glaube die Kreuzfahrer hatten nicht einmal genug Männer um die Stadt wirklich gänzlich einzuschließen. Die Eroberung Jerusalems war durch das Heranrücken eines ägyptischen Entsatzheeres ebenfalls gefährdet. Allerdings konnten sie die Mauer überwinden. Gut, Glück gehört zum Krieg dazu, ich will aber natürlich anerkennen, daß erfahrene Herrführer den Kreuzzug leiteten. Einigen wir uns auf Können und Glück. 4.) Das Zitat stammt nicht von einem Chronisten, sondern einem Autobiografen, der sich mit den Kreuzfahrer arrangierte und später wohlwollenden freundschaftlichen Umgang vor allem mit den Templern unterhielt. Wenn ich mich nicht irre sind das wohl die einzigen Aufzeichnungen aus dieser Zeit, die das tägliche Miteinander und Nebeneinander von Muslimen und Christen beschreiben. Ich wollte nur deutlcih machen, wie die christlichen Krieger aus islamischer Sicht wirkten. Zu Rudi Ratlos: 1) Stimmt. Al-Hakim nimmt aber auch in der islamischen Geschichtsschreibung eine Sonderrolle ein. Dabei gehen christliche und pro-abbasidische Propaganda Hand in Hand. Fakt ist, daß der Mann Christen und Juden drangsalierte und die Grabeskirche einreißen ließ. Fakt ist aber auch, daß er später den Kirchenbesitz zurückgab… Unter dem Kalifat seines Sohnes Al-Aziz wurde die Grabeskirche übrigens wieder aufgebaut. Die Fatimiden bedienten sich aber trotzdem sehr gerne mal aus den christlichen Kirchenschätzen, wenn sie klamm wurden. Das nächste Mal war es unter Al-Mustansir 1055/1056, aber eigentlich auch nur weil sich die byzantinische Kaiserin Theodora weigerte eine zugesagte Getreidehilfe auszuliefern. 2) zu Ani/Armenien: Bitte Quellenangabe zum angeblichen Massaker. 3) Zum sog. Kalifat von Ostia: Bitte Quellenangabe. Weder im LexMA noch in der Geschichte der arabischen Welt finden sich dazu Einträge. Eigentlich seltsam, oder? 4) Pogrome: Diskrminierungen waren immer personengebunden (s. Al-Hakim). Doch selbst er hatte christliche Berater, was ihm wiederum bei den Muslimen schadete. Christen und Juden nahmen sehr häufig höchste Ämter im muslimischen Verwaltungsapparat ein. Pogrom ist mir ein zu starker Begriff für den Osten der arabischen Welt. Für Cordoba mag das anders aussehen. Ich gebe aber zu bedenken, daß die Kopfsteuer einen wichtigen Beitrag zum Staatshaushalt lieferte… 5) Maimonides: Nicht vergessen, wo Maimonides lebte, arbeitete und starb. Von 1165 bis 1204 am fatimidischen bzw. ayyubidischen Hof in Kairo und zwar als Arzt, Richter und Vertreter des Judentums. Damit einen schönen Tag. Salaam.

Hallo Saladin 2.) zu Ani/Armenien: Bitte Quellenangabe zum angeblichen Massaker Ich habe mir nicht die Mühe gemacht in den Originalquellen nachzusehen. Das Buch aus dem ich die Information habe ist: Die Kreuzzüge in Augenzeugenberichten. Hg & Einleitung von Régine Pernoud. Dt von Dr. Hagen Thürnau.dtv 1971, S 16. 3.) Zum Kalifat von Cordoba müßtest ich noch eine Weile warten, da meine Quelle dafür zur Zeit verreist ist. Bzw ich das letzte mal vergaß ihn zu fragen (auch inwieweit das heute schon kommunizierbar ist). 5.) Ich wüßte nicht, was das heißen soll? Auch wenn er dort gearbeitet hat, mußte er trotzdem nach außen den Muslim miemen und das schon mindestens seit seiner Zeit als er in Fes (Nordafrika) Zuflucht suchte. Außerdem ist er ja kein Einzelfall. Quasi alle arabischen mittelalterlichen Philosophen, auf die man sich heute so gerne beruft, wurden ja letztlich exkommuniziert und mußten fliehen.