Wölbäcker, Zeugnisse früheren Ackerbaus

[left]Heinz Preißing, Rengsdorf [/left]Zur Archäologie im Kreis Neuwied : Wölbäcker, Zeugnisse früheren Ackerbaues Wölbäcker, auch Ackerbeete und Hochäcker genannt, sind Relikte alter Ackerbauwirtschaft, die vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert betrieben wurde. Sie zeigen sich heute in einer Anzahl parallel verlaufender, 3-10 m breiter und bis über 100 m langer Beete mit leicht gewölbter Oberfläche. Zwischen den Beeten verlaufen mehr oder weniger deutlich erkennbare flache Eintiefungen von bis zu 0,50 m Breite. Neuzeitliche Ackerbaumethoden haben diese Spuren früherer Agrarnutzung fast überall eingeebnet. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie meist nur noch auf Flächen die früher dem Ackerbau dienten und später bewaldet wurden, als flache Bodenwellen zu erkennen. Die Entdeckung einer Anzahl dieser seltenen Flurrelikte im Kreis Neuwied gelang meiner Frau und mir anlässlich einer mit Zustimmung der Archäologischen Denkmalpflege Koblenz durchgeführten mehrtägigen Begehung der Trasse für die Neubaustrecke Köln – Rhein/Main der Deutschen Bahn. Unser Ziel war die Feststellung oberflächig erkennbarer Bodendenkmäler auf der Trasse und in deren Randzonen, die vom Bahnbau berührt wurden. So konnte im Mai 1997 der Archäologischen Denkmalpflege eine detaillierte Aufstellung mit Lageplänen von 22 gefundenen Objekten übergeben werden. Nur etwa die Hälfte der aufgelisteten Landgrabenabschnitte, Schanzen, Grabhügel, Bergbaurelikte, Grenzsteine und Altwege waren bis dahin bekannt oder veröffentlicht. Ein besonderes Erlebnis am Rande der Bahntrasse bot sich uns im Februar 1997 mit der Entdeckung von mindestens 27 Wölbäckern im Wald in der Gemarkung Großmaischeid im Dreieck zwischen der Autobahn A3, der Kreisstraße 120 zwischen Großmaischeid und Giershofen und dem bronzezeitlichen Grabhügelfeld beiderseits der A3 südlich Giershofen. Allein diese Entdeckung bedeutete für uns eine Belohnung für manche Mühsal bei der Bewältigung der selbst gestellten Aufgabe und willkommene Motivation zum Weitermachen. Schließlich waren die für unseren Raum seltenen Relikte alter Agrartätigkeit an dieser Stelle bisher völlig unbekannt, weder den Archäologen bis dahin begegnet noch in der archäologischen und populären Literatur veröffentlicht. [center][/center]Nach Entdeckung der Wölbäcker erfolgte deren Besichtigung mit dem Leiter der Archäologischen Denkmalpflege. Unsere Deutung wurde bestätigt, eine alsbaldige Vermessung zugesagt. Die Unterschutzstellung durch die Untere Denkmalschutzbehörde ist inzwischen veranlasst. Obgleich die Form der Bodennutzung zur Verbesserung der Ertragsfähigkeit mittels Wölbäcker im Rheinland eine verbreitete Bewirtschaftungsform darstellt (Janssen S.271) ist es uns trotz aufmerksamen Beobachtungen bis heute nicht gelungen, an anderen Stellen im Kreis Neuwied, an denen sie hätten vorkommen können, Spuren von Wölbäckern zu finden. Die Erhaltung ihrer Relikte ist am ehesten im Waldgelände gegeben, das früher dem Ackerbau unterlag. Jüngere Agrartätigkeit und Bodenerosion sorgten in der offenen Landschaft meist für die Einebnung. Ausnahmen finden sich auf Flächen, die schon früh von Acker- in Wiesen- und Weidegelände umgewandelt wurden. Ein Beispiel hierfür ist das unweit unserer Kreisgrenze gelegene Weidegelände bei Königswinter-Höhnchen, an der Straße von Ittenbach nach Oberpleis, wo 19 Wölbäcker mit einer Breite von ca. 8 und 15 m und der Länge von bis zu 100 m zwischen flachen Gräben bei günstiger Vegetation zu erkennen sind. In der Hochrhön sahen wir nördlich Bischofsheim am Hang des Hohen Dentschberges schwach ausgeprägte Wölbäcker, die hangabwärts in Nord-Süd-Richtung verlaufen und deren Beete ca. 3 m von Mitte zu Mitte Graben messen. Sie sind Zeugen mittelalterlichen Ackerbaus der früher bis in die höchsten Lagen der Rhön betrieben wurde und angesichts der geringen Erträge und durch Klimaverschlechterung hervorgerufene Wüstungsperiode um 1400 von Weide- und Graswirtschaft abgelöst wurde. Hier werden die Wölbäcker wohl hauptsächlich zur Entwässerung des auf Basaltuntergrund liegenden Ackerbodens angelegt worden sein. Das ist wohl auch ein Grund für die Entstehung der von uns entdeckten Wölbäcker in der Gemarkung Großmaischeid. Schließlich sind sie überwiegend in Feucht- und Staunässelagen anzutreffen. Die Forschungen im Vorfeld des Braunkohletagebaus im Hambacher Forst durch das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege führten zur Entdeckung mehrer Flurwüstungen. Meist wurden sie durch spätere landwirtschaftliche Nutzung zerstört. Unter den im Wald erhaltenen Altfluren befanden sich zahlreiche Wölbäckersysteme die seit 1987 systematisch vermessen und beschrieben werden. Es wird erklärt, dass die Beete der Wölbäcker durch die Verwendung des Streichbrett- oder Beetpfluges entstanden, mit dem, entgegen der Arbeit mit dem späteren Wendepflug, nur die einseitige Schollenwendung möglich war. Dabei entstand in der Mitte der Beete beim Zusammenpflügen der Schollen ein Ackerscheitel. Durch Auftrag von Dung zur Verbesserung des Bodenertrags und fortlaufenden Humusauftrag aus den Gräben erhöhte sich die Wölbung der Beete. Im 19. Jahrhundert führten die Drainage der von Staunässe betroffenen Böden zur Einebnung vieler Wölbäcker [center][/center]Der Schutz der beschriebenen Bodendenkmäler ist eine wichtige Aufgabe der Bodendenkmalpflege. Sie sind auch im Wald in ihrem Bestand bedroht. Moderne Forstwirtschaft und die heutige Freizeitgesellschaft können ihnen zusetzen. So beklagt man in Nordrhein-Westfalen, dass zuweilen Mountainbikefahrer die markanten Geländewellen der Wölbäcker für ihren Sport nutzen. Literatur und Quellen: J. Göbel, Ein mittelalterliches bis neuzeitliches Wölbäckersystem im Hambacher Forst bei Steinstrass. In Archäologie im Rheinland 1987, Köln 1988, S. 171-173. W. Janssen, Studien zur Wüstungsfrage im fränkischen Altsiedelland zwischen Rhein, Mosel und Eifelnordrand Teil I. Beihefte der Bonner Jahrbücher Bd. 35, Köln 1979, S. 268-274. Chr. Keller, Wölbäckerrelikte bei Königswinter-Höhnchen. In Archäologie im Rheinland 1999, Köln 2000, S. 169/170. H. Preißing, Spuren alter Geschichte, Archäologie im Kreis Neuwied. Horb a.N. 1996.

Hallo, habe den Beitrag mit Interesse gelesen und noch ein paar Fragen: Welche Vorzüge bringen Wölbäcker eigentlich mit sich und gibt es hierüber Konsens in der Forschung? a) Vergrößerung der bebauten Fläche durch die Überwölbung? b) Selten kompletter Ernteausfall bei sehr trockenen (im tieferen Bereich) oder sehr nassen (im oberen Bereich) Jahren? c) was noch?

Hallo, auch ich habe den Artikel mit Interesse gelesen. Was mir noch nicht klar ist: Sind diese Wellenstrukturen nun ein (vielleicht eher unerwünschtes) Nebenergebnis der damals verfügbaren Pflüge oder wurden sie landwirtschaftlicher Vorteile wegen (z.B. die im Artikel erwähnte bessere Drainage) bewusst erzeugt? Oder ist diese Frage noch ungeklärt? Als sich diese Wellen ausgebildet hatten, wurden sie dann zur Gänze (im “Berg” und im “Tal”) genutzt oder nur im landwirtschaftlich günstigeren Bereich? Viele Grüße, Thorsten

guten tag lieber heinz, meinen respekt für deinen vortrefflichen artikel über wollbäcker. er wurde von mir mit hohem interesse gelesen. heute fand ich nun in einem buch auf großformatigen foto etwas ähnliches. dort wird es allerdings ganz anders gedeutet. vielleicht hast du ja mal bei einem bibliotheksbesuch gelegenheit den vorgang nachzuschlagen. sigrid lukanow, fundchronik des hochsauerlandes 1948-1980, seite 50, schmallenberg-schanze. namensgebende wegesperre von süden. auf dem foto sehe ich mindestens fünf bodenwellen jeweis von bäumen bewachsen. die erhebungen sind ca 3 m breit und 50 cm hoch (die maße sind von mir geschätzt). im weiteren text finde ich dann allerdings auch fotos mit nur einzelnen bodenwellen. der anschließende text lautet: schmallenberg schanze, akz 4816,7. nordöstlich der kleinen ortschaft schanze läßt sich im leicht abfallenden hang eine wegesperre erkennen. sie hat eine länge von 125 m und eine breite von bis zu 20 m. und besteht aus zwei (im N) und bis zu drei (imS) erdwällen von 1 m höhe, die von graben begleitet werden. die befestigung ist für den im bereich der wüstung uelmcke neu entstandenen ort namendgebend geworden. sie sperrt eine jüngere straßenführung der mittelalterlichen heidenstrasse von schmallenberg nach winterberg, deren hohlwegsysteme noch deutlich zu erkennen sind. nun habe ich die vermutung, daß es sich zumindest bei denen auf foto 1 beschriebenen erdhügeln auch um wollbäcker handeln könnte. ich werde die weiterführende lieteratur mal befragen. vielleicht gibt es ja hier im forum auch jemanden, der die örtlichenkeiten kennt. bist du heinz, der meinung, daß die vermutung zu recht bestehen könnte? und passen die dort angegebenen maße z.b. 1m höhe überhaupt noch zur wollbäckerei ? mit allerbestem gruß max

Hi, auch hier im Hunsrück gibt es noch einige Wölbäcker. Sie sind aber nur noch in den Hochwäldern des Soonwaldes und des Hunsrückes nachweisbar. Ich glaube aber auch, dass einige der in der Hunsrückregion zu findenden und im Volksmund “Viehtriften” oder Viereckschanzen genannt werden, in Wirklichkeit Wölbäcker sind. Denn die meisten dieser “Schanzen” oder “Triften” sind in unmittelbarer nähe von Wüstungen und von mehreren niedrigen paralellen max. jetzt noch 20cm “Erdwällen” durchzogen. Man muß schon sehr genau hinsehen um überhaupt noch Erhebungen oder Vertiefungen zu erkennen.Auf jeden Fall sollte man diese Plätze mal genauer vermessen und ich denke man wird einige Überraschungen erleben. So manch ein Wölbacker wird zur Viereckschanze und so manch eine Viehtrift zum Wölbacker. Gruß pars pro toto

Re: Wölbäcker, Zeugnisse früheren Ackerbaus, mein Beitrag vom 01.10.2003 Hallo, besten Dank für die Anfragen von S. Biermeier vom 01.10.2003 und Torsten vom 05.10.2003. Bitte entschuldigen Sie meine verspätete Reaktion. Der Hauptgrund für die Herstellung der Wölbäcker dürfte in der angestrebten Verbesserung der Ertragsfähigkeit der Böden liegen. Die Erforschung dieser mittelalterlichen Flurrelikte ist nicht sehr ergiebig. In der archäologischen Literatur ist über ihre Ergebnisse relativ wenig anzutreffen. Aus Rheinland-Pfalz ist mir bis heute keine diesbezügliche Veröffentlichung bekannt geworden. Es wäre zu begrüßen, wenn unsere Diskussion hier etwas bewegen könnte. Die außerhalb unseres Bundeslandes erschienene einschlägige Literatur hält sich mit der Beurteilung inwieweit mit dieser Bewirtschaftungsform die Ertragssteigerung der Böden erreicht wurde oder erreicht werden sollte, ziemlich zurück. Offenbar war sie in bestimmten Gegenden jedoch so erfolgreich, dass sie immerhin vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert betrieben wurde. Ein Hauptgrund dürfte die notwendige Drainage von feuchten Böden über wasser undurchlässigen Unterböden gewesen sein. Zudem sollte mit dem Dungauftrag an der gewölbten Oberfläche eine Verbesserung des Ertrages und eine größere Mächtigkeit der Ackerkrume erreicht werden. Schließlich werden noch die Oberflächenvergrößerung des gewölbten Ackerprofils und die arbeitstechnische Unterteilung von Besitzparzellen als mögliche Vorteile dieser Art der Bodennutzung genannt. Die der Entwässerung dienenden flach eingetieften Furchen zwischen den Hügelbeeten wurden wohl weniger oder gar nicht landwirtschaftlich genutzt. Es dürften noch weitere Forschungen zur Klärung erforderlich sein. Neue Fundstellen und fachgemäße Ausgrabungen könnten zu neuen Befunden und Erkenntnissen führen. Bitte schauen Sie sich in Ihrer Gegend nach verdächtigen Flächen, vor allem im Hochwald, um. Die zuständige Bodendenkmalpflege wird Ihre Fundmeldung (vielleicht) begrüßen, ich würde dies in jedem Falle tun. Beste Grüße

Re: Wölbäcker, Zeugnisse früheren Ackerbaus, mein Beitrag vom 01.10.2003 Hallo lieber Max (maxherbert), besten Dank für Deine freundliche Anfrage vom 07.10.2003 und Dein lebhaftes Interesse an meinem Artikel vom 01.10.2003. Die von Dir angegebene Literatur werde ich versuchen, durch die Fernleihe zu beschaffen. Falls das gelingt, werde ich mich bei Dir melden. Zunächst möchte ich jedoch vermuten, dass es sich bei den von Dir genannten Bodendenkmälern wohl um Landwehren handeln dürfte. Heutige Höhen von 0,50 und 1 m dürften für Wölbäcker zu hoch sein. Ich habe hier im Kreis Neuwied eine ganze Anzahl dieser in der archäologischen Forschung etwas vernachlässigten Bodendenkmäler kartiert und fotografiert. Nach meinem Wissen gab es Landwehren auch mit mehr als drei Wällen und Gräben. Das dürfte besonders an ehemaligen Wegedurchgängen durch Landwehren, die man heute gelegentlich unter der Flurbezeichnung „Schlag“ findet, vorkommen. Auch Altwegebündel können aus bis zu fünf und mehr Wall-Graben-Systemen bestehen, sind jedoch wegen ihrer erheblichen Mächtigkeit in der Regel von Landwehren gut zu unterscheiden. In meiner Antwort an S. Biermeier und Thorsten schreibe ich im Forum noch einiges zur Ergänzung meines Artikels über Wölbäcker vom 01.10.2003. So viel für heute. Bitte melde Dich, wenn Du zu neuen Informationen über Wölbäcker und Landwehren gelangst. Beste Grüße Heinz

Hallo Heinz Preissing, vielen Dank für die Erklärung. Viele Grüße Thorsten