Irland und die Kelten

Hallo, als absoluter Neuling hier im Forum und Nicht-Archäologin hoffe ich, dass mir hier vielleicht einige Leute mit Informationen weiterhelfen können. Mich würde es interessieren, wo ich gute Materialien über die Kelten in Irland herbekommen kann und zwar dergestalt, dass selbst ich sie als Nicht-Archäologe verstehen kann. Wohlgemerkt, es geht mir nicht im irgendeinen esoterischen Senf, sonder wirklich um Fakten, soweit vorhanden. Was mich stutzig gemacht hat, ist die Tatsache, dass zwischen der recht hochentwickelten Kultur der Kelten auf dem Festland und denen auf den Inseln eine recht große Lücke klafft. Viele Sachen, die man gefunden hat, führen eher auf einen normannischen Einfluß zurück. Von Fundstücken oder Grabungsfunden vor der Zeit der Normannen in Irland habe ich leider noch nichts gehört oder gelesen. Kann mir einer weiterhelfen? Das wäre schön. Freundliche Grüße Sabine

Hallo Sabine, ich habe mir gerade ein paar sehr interessante Bücher, zum Thema Kelten besorgt. Leider habe ich z.Zt. keine Konkrete Antwort auf Deine Frage, ich vermute aber, das die kulturelle Lücke die es -laut Deiner Aussage- zwischen dem Festland und den Inseln gab ganz einfach durch ein logistisches Problem zustande kam. Ich weiss grundsätlich das die Kelten des Festlandes mit der mediterranen Region regen Handel trieb, was für die kulturelle Weiterentwicklung natürlich sehr hilfreich gewesen sein wird. Für die Insulaner war der Handelsweg zu Land nicht vorhanden und ich könnte mir vorstellen, dass es ein grosses Unterfangen war Seehandelswege zu etablieren. Was die Zeit vor den Normannen und alle anderen Fargen angeht, werde ich mal zusehen was ich so finden kann. Ich habe in diesem Forum ein Thema “gepostet” (Diskussionsforum:informationssuche:Allgemein:"Schriftlose Kulturen) , es geht um die Schriftlosigkeit der Kelten, evtl. interessiert dich das ja auch. Ich melde mich wieder. tujay

Hallo tujay, danke für deine Antwort. Ich glaube nicht, dass das Problem so großartig daran lag, dass der Handel zu den mediteranen Ländern auf einmal brach lag. Soweit ich es in Erinnerung habe (frag mich jetzt bitte nicht, aus welchem Buch ich das habe *g*) war die Kultur auf dem Festland sehr ausgeprägt, was Siedlungen, Waffen etc. angeht. Nachdem die Kelten dann weiter nördlich gezogen sind und irgendwann in Irland gelandet sind, war es auf einmal alles weg. Ein Bekannter formulierte es mal so: im Vergleich zu den Festlandkelten fanden die Normannen in Irland ein Land vor, das quasi noch auf den Bäumen hockte. Die Berührungen zwischen den Normannen und Irland kannst du hier bei mir auf der Seite mal nachlesen, wenn du möchtest Die normannische Expansion in Irland Nun gut, das möchte ich so nicht ungestraft stehen lassen. Tatsache ist jedoch, dass die Funde, die sich so um 700 irgendwas n.Chr. in Irland datieren lassen, in erster Linie normannischen Einfluß reflektieren und nicht darauf hindeuten, dass vor den Normannen großartig in Irland was passiert ist. Ich kann mir das aber irgendwie nicht richtig vorstellen. Wie ich erfahren habe, sind die irischen Archäologen zwar auch beschäftigt, ich weiß aber nicht wie ich an die Informationen kommen soll. Eine mögliche Informationsquelle wäre vielleicht noch das Buch von Prof. Brinkhan (Die Kelten - ein Gesamtbild ihrer Kultur) - ich hoffe, der Titel stimmt. Leider ist das Buch schw… teuer. Zu teuer für mich [:|] Trotzdem, wenn du etwas findest, lass es mich wissen. Vielen Dank und liebe Grüße Sabine CantaLibre-more than just folk

Hallo Sabine, Du hast geschrieben: …Wie ich erfahren habe, sind die irischen Archäologen zwar auch beschäftigt, ich weiß aber nicht wie ich an die Informationen kommen soll… Also, bei www.freenet.de im Verzeichniss Experten gibt es unter der Rubrik Archäologie einen Herrn Buesch. Dieser beantwortet Fragen für sein Fachgebiet und wie es der Zufall so will, steht in seiner Biografie, das er z.Zt. in Irland lebt. Versuchs doch mal bei ihm. Ansonsten melde ich mich wieder. Gruß tujay

Liebe Sabine, Du machst da ein ziemliches Fass auf, darum nur ein paar Bemerkungen. Zur Frage, was “Kelten” sind, hatten wir vor Monaten schon mal eine Diskussion (s. Altes Forum, direkter link: http://www.archaeologie-online.de/forum/disput/read.php?f=1&i=303&t=303). Archäologisch gibt es in Irland eine Menge Funde, im “La Tene-Stil”, die (etwa) vom 3. Jh. v. Chr. bis ins 5. Jh. n. Chr. datiert werden. Der La Tene-Stil wird mit Kelten in Verbindung gebrachr. Davon unabhängig gilt das Irische als keltische Sprache. Wie Du richtig beobachtet hast, sind zwischen dem irischen und dem kontinentalen La Tene durchaus kulturelle Unterschiede zu beobachten. Nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Bewohner Irlands vor 2000 Jahre selbst als Kelten sahen. Ein keltisches Gemeinschaftsgefühl von Irland bis zur Türkei gab’s sicher auch nicht. In jedem Fall werden die Bewohner Irlands seit dem 4./5. Jh. christianisiert, es entsteht eine sehr eigenwillige Klosterkultur auf einem recht hohen Niveau. Irische Mönche zählen um 800 zu den Beratern Karls des Großen und sind in der Missionierung Mitteleuropas aktiv. Irische (und englische) Buchmalerei zeigt deutliche La Tene-Merkmale (die auf dem Festland praktisch nicht mehr vorkommen) aber auch Einfluss “germanischen” Kunstgewerbes. Ab dem 9. Jh. lassen sich Wikinger in Irland nieder. Deren Handwerkskunst ist ebenfalls “germanisch” geprägt. Hier wird’s dann ganz schwer, die Einflüsse auseinanderzuhalten. Im 8.-11. Jh. ist der weitere Nord-/Ostseeraum ein Raum mit einer sehr einheitlichen materiellen Kultur. In jedem Fall ist es falsch zu behaupten, die Wikinger hätten die Kultur nach Irland gebracht. Sie haben aber bei der Entstehung von Städten eine wichtige Rolle gespielt. Ab etwa 1170 beginnen dann anglo-normannische Barone, Irland unter ihre Kontrolle zu bringen. Damit beginnt gewissermaßen der bis heute in Nordirland bestehende Konflikt. Diese Barone sind die Herrscherschicht in England (daher “anglo”), sie sind Nachkommen der Männer, die mit Wilhelm dem Eroberer 1066 von der Normandie aus England erobert haben. Die Normandie wiederum heißt so, weil sie seit dem 10. Jh. von Wikingern (=Normannen) beherrscht wird. Kompliziert? Alleine die Begriffsgeschichte der hier genannten “Völkernamen” ist so schwierig, dass eine wirklich saubere Antwort auf Deine Fragen kaum möglich ist. Um die historische Seite des Problems etwas zu verstehen, könntest Du bei J.C.Beckett: Geschichte Irlands (Kröner-Verlag) nachlesen (das erste Kapitel) Sollte es in ordentlichen Bibliotheken geben. Andere Werke über die irische Geschichte tun’s auch. Zur Archäologie hier einige schwerer zu beschaffende Literaturhinweise: P. Harbison: Pre-Christian Ireland / N. Edwards: The Archaeology of Early Medieval Ireland / T. B. Barry: The Archaeology of Medieval Ireland. Wenn Du Zugang zu einer Uni-Bibliothek hast (Ausweis kriegen auch Nicht–Studenten), sollten die Sachen zu bestellen sein. Noch Fragen ?:wink: Viel Spaß beim Lesen Jens PS: Ich habe so ausführlich geantwortet, weil ich es gut finde, dass Du diesen Esoterik-Blödsinn nicht mitmachst. Leider wird der Begriff “Kelten” aber auch von vielen Wissenschaftlern unkritisch benutzt. Meiner Meinung bezeichnet er keine historische Realität, sondern ist ein modernes Konstrukt.

Hallo Sabine! Habe gerade das von dir zitierte Buch von Birkhan zuhause. (allerdings auch aus der UB geliehen) Thematisch würde es sicherlich sehr gut zu deinen Fragestellungen passen. Beschäftigt sich ausführlich mit der keltischen Vergangenheit Irlands. Es ist eine wahre Fundgrube. Leider hat es meiner Meinung nach zwei Schwächen: 1. finde ich die archäologischen Quellen (bes. im 2. Teil (Religion)) unterrepräsentiert, was wohl mit der Person des Autors zusammenhängen wird. 2. enthält es keinerlei Abbildungen. Wenn man sich also von archäologischer Seite aus mit dem Thema beschäftigt, muß man sich über Lit.Verz. und Anmerkungen jede (Bild)Quelle selbst erschließen. Das bedeutet natürlich, daß man eine gut sortierte Universitätsbibliothek o.ä. in der Nähe hat. Sonst wirds schwierig. Ansonsten kann ich das Buch aber wirklich empfehlen. Grüße Doug!

Hallo Sabine, nicht unwesentlich für die eigenständige Kultur Irlands, die über Jahrhunderte erhalten bleiben konnte (dort gab es wohlgemerkt noch im 4. Jahrhundert n. Chr. Kelten) ist, daß die Römer - trotz mehrmaliger Versuche - die Insel nie einnehmen konnten. “Der Preis war zu hoch”, was bedeutet, daß die vorhersehbaren Verluste eine Okkupation nicht rechtfertigten. Die irischen Kelten kämpften (lt. Überlieferung) tatsächlich bis zum sprichwörtlichen “letzten Blutstropfen” - auch wenn es pathetisch klingt. Angeblich entrissen die Frauen in der Schlacht ihren sterbenden Männern die Schwerter und kämpften an deren Stelle weiter. Soviel zur Überlieferung, die selbstverständlich meist jedoch eher übertrieben wurde, um das Scheitern der Bemühungen zu rechtfertigen. Dies ist aber ein anderes Kapitel. Viele Grüße Agora, Wien

Mir fallen zu dem Thema spontan zwei Autoren mit eher populatistischen Werken ein: - Simon James - Barry Cunliffe Beide Titel lauten irgendwie Die Kelten- . Ich bin grad nicht daheim, sonst würde ich nachschauen. Sie behandeln zwar eigentlich die Kelten allgemein- sprich Insel- wie auch Festlandkelten- sind aber beide Engländer und haben deshalb recht viel zu England und Irland aufgenommen.

Speziell Cunliffe möchte ich ans Herz legen, er ist Dozent an einer englischen Uni und müßte eigentlich wissen, wovon er spricht.

Ach ja: Im 4./5. Jhr. haben wir auf dem Festland defenitiv keine Latènekultur mehr. Die endet mit Caesars bellum gallicum (oh mein Latein…, ich hoffe der Fall stimmt) + etwa 50 Jahre Romanisierung, also pi mal Daumen um die Zeitenwende. England hielt sich etwas länger (bis Claudius oder Nero?), Irland wurde nie erobert. Die Latènekultur hielt sich dort in einer lokalen Ausprägung, die irische Arraskultur ist also sowas wie: Das-was-Latène-geworden-wäre-ohne-Caesar.

guten abend thirtymoons das dein sicherlich gut gemeinter beitrag nun schon einige monate überfällig ist ,hast du möglicherweise übersehen. doch die von dir verwendeten begriffe können in der dargestellten form möglicherweise zu mißverständnissen führen. nach meiner kenntnis ist die arras-kultur gerade eine ausprägung der latene-kultur und räumlich dem östlichen yorkshire zuzuordnen. irgendwelche verbindungen nach irland sind für mich nicht nachvollziehbar. auch cäsar konnte auf diese kultur kaum einen einfluß ausüben, da er erst in späteren jahren seine britannien exkursionen durchführte. mit allerfreundlichstem gruß max

Äh, nein, habe ich nicht übersehen. Aber da das hier das Allgemeine Forum ist und da es in dem Posting von Sabine auch nicht um eine sonderlich eilige Informationssuche ging, dachte ich mir- was solls, die beiden Autoren wurden nicht genannt, ich schreibs einfach. Irgend jemand schaut ja auch mal in die älteren Beiträge, vielleicht hilft es jemandem (und da ich Sabine geantwortet habe, sollte sie die Benachrichtigungsmail bekommen). Hallo erstmal. Und zu deinem nächstem Punkt: AAAAAAAAAH!!! Verflucht! Natürlich hast du recht! Die Arraskultur ist defenitiv auf den Raum Yorkshire und drumherum konzentriert! Als (kleine) Entschuldigung: ich schreibe grad eine Hausarbeit zum Vorkommen von runden Schildbuckeln, da habe ich auch Irland und das UK mit reingenommen. Bin wohl im Moment ein wenig durcheinander (zuviel Arbeit), da habe ich zusammengewürfelt. Verzeihung, verzeihung, verzeihung. Das mit Caesar- auf welche Kultur jetzt, Arras oder Irland-Latène? Auf Irland sowieso, da nie dort gewesen. Und die caesarischen Exkursionen nach Britannien waren ja auch eher genau das- Exkursionen. Ich kam, ich sah, ich… ging wieder. Aber trotzdem wurde Britannien (zu einem großen Teil) kurz darauf erobert. Glücklicherweise bleibt es trotzdem in etwa bei dem was von mir gemeint, aber nicht so gesagt wurde: die irische Latènekultur war eine stark regional ausgeprägte Variante (“By and large, however, the material culture of the insular Iron Age has an essentially local character and there are few identifiable imports in the archaelogical record.” B.Raftery, im I Celti/The Celts-Katalog der Mailänder Austellung, 555. Er meint alle Inselkelten, aber das beinhaltet ja auch die Iren.). Und sie wurde mehr oder wenig eigenständig weitergeführt, was auf dem Festland so nicht der Fall war.

Hallo allerseits, ich finde man muss an dieser Stelle unbedingt auch nochmal erwähnen, in welchen Schwierigkeiten sich die moderne Archäologie momentan gerade bezüglich der “Keltenfrage” befindet. Inzwischen ist es nämlich mehr als in Frage gestellt worden, ob es in UK , Schottland und Irland überhaupt eine eisenzeitliche Bevölkerungsgruppe gab, die mit der keltischen Kultur in Mitteleuropa gleichgesetzt werden kann, oder ob es eine Erfindung der Renaissance ist, die die überlebenden eisenzeitlichen Sprachen (Gälisch, Manx, Goidelisch, Kymrisch usw.) als “keltisch” zusammenfasste. Hierzu grundsätzlich interressant zu lesen: Sabine Rieckhoff, Jörg Biel, Die Kelten in Deutschland. Theiss 2001. Und : Simon James (Durham University): The atlantic Celts, ancient people or modern invention?