Mehr :
Doch ,keine Erwähnung der Entdecker…
Joachim Neander war pietistischer Prediger - Vor 150 Jahren Skelettreste entdeckt
Von Gerrit Richard Ranft
Mettmann (epd 12.1.2006).
Das Jahr 2006 schickt sich an, zum “Jahr des Neandertalers” zu werden. Steinbrucharbeiter hatten im Neandertal nahe der heutigen rheinischen Kreisstadt Mettmann vor 150 Jahren Skelettreste eines bis dahin unbekannten Menschentyps freigelegt. Nach seinem Fundort wurde der, wie man heute weiß, vor 40.000 Jahren ausgestorbene Seitenspross des modernen Menschen (homo sapiens) zunächst als Neandertaler bezeichnet.
Der Name hat sich gehalten. Entdeckt wurde der Urzeitmensch im August 1856. Einer könnte in all den geplanten Jubiläumsveranstaltungen leicht übersehen werden: Der norddeutsche evangelische Pastor Joachim Neander (1650-1680). Nach ihm hat das Neandertal seinen Namen. Der pietistische Prediger wurde nur dreißig Jahre alt, gilt aber als einer der bedeutendsten Kirchenliederdichter des Protestantismus.
Neander war 1674 im Alter von 24 Jahren in Düsseldorf Rektor an der Lateinschule der reformierten Gemeinde geworden. Mit Bekannten, Freunden und Anhängern seiner Erbauungspredigten wanderte er oft aus der Stadt hinaus ins enge, damals noch als wild und romantisch beschriebene Tal des Flüsschens Düssel, das heutige Neandertal. Gut fünf Jahre blieb Neander in Düsseldorf, ehe er als Pastor an seinen Geburtsort Bremen zurückkehrte. Seine Düsseldorfer Gemeinde belegte das so oft durchwanderte Tal mit seinem Namen. Eine geräumige Sandsteingrotte wurde zur Neanderhöhle. In ihr kam 176 Jahre nach Neanders Tod der Urzeitmensch ans Tageslicht zurück.
Joachim Neander wurde 1650 in Bremen in eine düstere Zeit hineingeboren. Der Dreißigjährige Krieg war gerade erst mit den Friedensschlüssen in Münster und Osnabrück zu Ende gegangen. Das Land war verwüstet, weithin entvölkert. Dörfer waren verödet, Städte zu großen Teilen zerstört. Marodierend durchs Land ziehende Heere hatten Laster und Krankheiten hinterlassen, wie ein Chronist berichtet.
In ihrer Not fanden viele Menschen wieder den Weg in die Kirchen. Evangelisches Leben blühte neu auf, nicht zuletzt im Gefolge pietistischer Erweckungsprediger. Joachim Neander, in Bremen schon vom Pastor Theodor Undereyk mit pietistischen Gedanken vertraut gemacht, ging nach Frankfurt am Main. Dort begegnete er dem Begründer des Pietismus, Philipp Jakob Spener, und dem zehn Jahre älteren Johann Jakob Schütz, die über Erbauungsstunden die Erneuerung der Kirche betrieben.
Seine innere Entwicklung, auch seine Arbeit als Leiter der Düsseldorfer Schule und später als Prediger in Bremen waren von Spener geprägt. Neander schrieb 57 Lieder, die er zum Teil selbst vertonte. Als sein bekanntestes gilt “Lobe den Herren”, eins seiner vier “Königslieder”. Nicht alle Texte sind von vergleichbarer Qualität, manche heute auch nicht mehr recht verständlich. Gesungen werden sollten seine Lieder, die er 1679 gesammelt herausgab, “auf Reisen, Zuhause und bei Christenergötzungen im Grünen”. Im Evangelischen Kirchengesangbuch ist Neander an sieben Stellen vertreten, teils mit Texten, teils mit Melodien, in “Lobe den Herren” mit beidem.
Nach fünfjährigem Aufenthalt in Düsseldorf kehrte Neander 1679 an seinen Geburtsort Bremen zurück. Nicht ungern, wie zu vermuten ist. In Düsseldorf hatte es Konflikte mit dem Presbyterium gegeben, das die Aufsicht über die Lateinschule führte. Neander war wegen separatistischer Erbauungsversammlungen verwarnt worden. So kam ihm der Ruf des noch immer mit ihm befreundeten Bremer Pastors Undereyk nicht ungelegen. Doch es war kein einfaches Leben für Neander in der Weserstadt. Ihm wurden die Frühpredigten an der St. Martini-Kirche übertragen, die sommers wie winters am Sonntag um fünf Uhr gehalten wurden. An jedem ersten Dienstag im Monat musste er predigen, an jedem Freitag eine Betstunde halten.
Neander hat in der kurzen Frist seines Lebens wohl nicht geheiratet. Den Vater Johann Joachim Neander, der 30 Jahre lang Lehrer in Bremen gewesen war, hatte er schon mit 16 Jahren verloren, und auch die Mutter starb wenig später. So stand der junge Prediger ziemlich allein. Am 31. Mai 1680, dem Pfingstmontag, starb Joachim Neander im Alter von nicht einmal 30 Jahren. Sein Grab wird unter der Martini-Kirche in der Bremer Altstadt vermutet.