Arbeiten in England

Ich möchte mich als Archäologin in England bewerben, kenne mich aber mit der britischen Denkmalpflegesituation nicht aus. Wendet man sich an Ämter? Oder versucht man es besser mit Grabungsfirmen? Wo finde ich Infos/Adressen zu diesem Thema? Wie wird dort der deutsche M.A. Abschluss gewertet? Und wie wird man bezahlt? Oder hat vielleicht schon jemand dort gearbeitet und hat spezielle Tips? Würde mich sehr über Hilfe und Anregung freuen

Halo Iris, ich habe in den letzten 3 Jahren haeufiger in Grossbritannien fuer Grabungsfirmen gearbeitet. Die Beste Chance einen Job zu finden ist einfach mal bei www.bajr.co.uk vorbeizuschauen. Dies ist eine Online Boerse fuer Archaeologie-Jobs aller Art in Grossbritannien. Denkmalpflege vormal wie in Deutschland gibt es in Grossbritannien nicht. English Heritage, CADW (fuer Wales) und die Royal Commission for Ancient Monuments in Scotland, sind die zustaendigen, halb-staatlichen Behoerden. Diese unternehmen allerdings nur in den allerseltesten Faellen ihre eigenen Grabungen und dann meisst nur mit langjaehrig festangestellten Mitarbeitern. Ansonsten sind Sie fuer Ueberwachung der Standards auf Grabungen zustaendig, sowie fuer die adequate Praesentation von Fundstellen. Grabungen, Evaluationen und Surveys werden von verschiedenen Grabungsfirmen durchgefuehrte, die von Baunternehmen unter Vertrag genommen werden (daher der allgemeine Ausdruck “contract archaeology”). Die drei groessten Firmen sind Oxford Archaeology, Wessex Archaeology und Network Archaeology. Manche von diesen sind allerdings keine gewinnorientierten Firmen, sondern Stiftungen die dennoch im Prinzip wie Firmen arbeiten. Oxford Archaeology und Wessex Archaeology zahlen am Besten im bezug auf Arbeitszeiten und stellen Unterkuenfte frei Kost zur Verfuegung. Dazu gibt es noch £60,- pro Woche als Verpflegungszuschuss (steuerfrei) was ausreichend ist um sich gut zu verpflegen. Die duchgefuehrten Arbeiten reichen von Heathrow Airport (mit ab zu 70 Ausgraebern) zu kleineren Projekten aller Art. Die Atmosphaere ist meisst geschaeftig und groesstenteils freundlich (mithalten im Pub nach Arbeitsschluss ist allerings gewoehnungsbeduerftig…:-O) allerdings oft auch stressig und man ist staendig im Zeitdruck. Andere Firmen haengen meisst mit den oertlichen Landkreisen (councils) zusammen und sind meisst um einiges kleiner. Hier wird oft keine Unterkunft zur Verfuegung gestellt und es wird weniger gezahlt. Der derzeitige Standardlohn fuer Ausgraeber liegt seit April 2003 bei £12,723 im Jahr (empfohlen durch IFA). Dies sind ca. £1060,- oder Euro 1590,- im Monat (ohne Steuerabzuege). Mit dem deutschen MA Abschluss sollte es keine Probleme geben. Darauf wird im allgemeinen nicht extrem viel Wert gelegt. Viele Ausgraeber in GG haben gar keinen Abschluss, dafuer aber 20 Jahre Grabungserfahrung. Was man allerdings haben sollte sind mindestens 6 Monate Grabungserfahrung, am besten mit Erfahrung im “single context sheet recording”, welches in GB ueberall angewendet wird (wenn auch mit leichten, oertlichen Modifikationen), sowie in anderen Bereichen (Vermessung mit Total Station, Fuehrerschein). Die meissten Firmen haben Internetseiten, die man bequem browsen can. BAJR hat auch links zu verschiedenen Webseiten. Die Webseite desw Council for British Archaeology hat auch ein solches Verzeichniss. Man sollte auf jeden Fall eine kleine Sammlung eigener Ausruestung mitbringen (Kelle etc.). Alle Firmen haben ausserdem strikte Sicherheitsvorschriften, d.h. man braucht Arbeitsstiefel mit Stahlkappen, Sichtweste/jacke und Bauhelm (dese Sachen werden aber oft von den Firmen gestellt!). Als EU-Staatsbuerger kann man ohne Probleme in GB arbeiten und braucht keine Arbeitserlaubnis. Allerdings muss man eine Steuernummer und Versicherungsnummer bekommen. Diese erhaelt man am Wohnort nach einem Interview mit den oertlichen Behoerden in einem Zeitraum von 6 Wochen. Im Prinzip kein Problem. Arbeitsverhaeltnisse sind oft nicht immer rosig. Es wird voller Einsatz erwartet und es gibt strikte Site-hierarchien: Junior Excavator (unter 6 Monaten Erfahrung), Excavator (mehr als 6 Monate Erfahrung), Assistant Supervisor (1-2 Jahre Erfahrung), Supervisor (2-5 jahre Erfahrung), Project Officer (mehr als 5 Jahre Erfahrung, mit weiterfuehrendem Uni-Abschluss), Senior Project Officer (mehr als 10 Jahre Erfahrung und weiterer Abschluss), Project Manager (sowas wie ein Halbgott!!!). Zwischendrin sind noch irgendwie die Spezialisten die meisst als Project Officer bezahlt werden. Manche Firmen, speziell diejenigen die an Pipelines arbeiten, haben oft 12 Stunden Tage und das 6-7 Tage die Woche. Falls Du irgendeine Spezialisierung vorweisen kannst, z.B. Fundbearbeitung (Keramik, Flint), Tierknochenanalyse, Anthropologie, Botanik, Geophysik, Vermessung, Computerverarbeitung etc. sind andere Jobs als “specialist” durchaus drin, allerdings sind diese Spezialistenjobs “few and far between”. Englischkentnisse sollten natuerlich im ausreichenden Masse vorhanden sein. Je mehr Erfahrung du hast, desto besser sind die Chancen einen besser bezahlten Job zu bekommen. Supervisors werden mit so c. £13,500 p.a. bezahlt. Project Officers (die meisst verantwortlich fuer die Grabung einer fundstelle sind) werden so mit c. £16,500 p.a. bezahlt. Allerdings ist hier ein gutes Wissen der Britischen Grabungsverhaeltnisse von Noeten (Gesetze, Dokumentation, Client-relations etc.). Andere Jobs findet man bei Trusts und Organisationen welche doe Sites and Monuments records verwalten (das equivalent zum Fundstellenarchiv). Hier wird oft nach Leuten mit GIS Erfahrung gesucht. Die Trusts verwalten diese Archive und unternehmen in manchen Faellen auch andere Projekte, z.b. Grabungen. Wetter ist immer so eine Sache in GB. Da es nun einmla viel regnet wird oft auch beim schlechtesten Wetter weitergemacht. Hierzu gibts dann sogar wasserfestes Papier mit dem man auch im stroemenden Regen noch Profilzeichnungen anfertigen kann. Auf jeden Fall ausreichend Wasserfeste und warme Kleidung parat haben! Im Grossen und Ganzen ist es ein sehr professionelles Business und mir hats immer Spass gemacht fuer Firmen und andere Organisationen zu arbeiten. Die meissten Kollegen sind hochmotiviert, wissen was Sie tun und haben Spass an der Sache. Ich habe hier viele Archaeologen aus allen Ecken der Welt getroffen (Deutschland, Canada, Bosnien, Frankreich) und es war immer eine Bereicherung zu sehen wie die Briten so graben! Viel Glueck beim bewerben und falls du noch was wissen willst frag einfach. Tobias B-)

Hallo Toby, vielen Dank für die umfassenden Infos! Das hilft mir einen Riesenschritt weiter! Jetzt werde ich erst mal loslegen und deinen Kontakthinweisen nachgehen. Ich komme aber bestimmt gerne auf dein Angebot nach weiteren Infos zurück …! Viele Grüße

Achso! Deshalb kommst du so viel in der Welt herum! dein