Römische Dodekaeder

Vor Jahren gab es im Internet einmal eine Seite (Georg-Kayser-Gesellschaft/ Luxemburg) , die sich mit den zwischen Ungarn und England gefundenen Dodekaedern aus römischer Zeit befasste. Ein schoenes Beispiel ist in Tongern zu sehen. Ich bedauere sehr, dass ich die Seite nun nicht mehr im Netz finden kann. Gibt es eine Nachfolgeseite? Oder eine vollkommen neue Seite, die ebenso interessant ist. Und noch besser: Weiss man inzwischen, wozu diese Dodekaeder dienten?

Gut zwei Jahrzehnte nach dieser Frage scheint es jetzt eine plausible Antwort zu geben:

Was denkt Ihr?

Gruß, Timo

Diese Erklärung (allerdings zum Stricken für Handschuhe) hatte Harald Lesch schon einmal in einer Sendung zu ungelösten Rätseln der Archäologie.

Aber dieser Vorschlag leitet sich aus einer bestimmten handwerklichen Praxis ab – und ist damit viel überzeugender als z. B. die meist hilflose Einordnung als „magisches Objekt“. Sakrale Deutungen waren für mich schon oft zu suspekt.

Die Frau beschäftigt sich mit Stricken und Häkeln. Und es ist schon irre, dass sie auf diese Dodekaeder gestoßen ist – und die praktische Verwendungsmöglichkeit im Hinblick auf historische Schmuckstücke (!) erkannt hat.

Ein anderes Beispiel dafür, wie Laien zu Erklärungen in der Archäologie beitragen können, ist hier zu lesen:

LG Barbara

Das finde ich besonders faszinierend. Sie sah die scheinbar zusammenhanglosen Exponate im Museum und erkannte dank ihrer speziellen Erfahrung die Verbindung.

Sehr beeindruckend finde ich auch Wally Wallington, den amerikanischen Bauarbeiter im Ruhestand, der eindrücklich demonstriert wie er eigenhändig ‘Megalithen’ bis zu 10 t Gewicht mühelos manipulieren, transportieren und aufrichten kann — mit mehr Hirn- als Muskelschmalz.

https://www.youtube.com/watch?v=xD5Lc3-5iDs

Gruß, Timo

Die experimentelle Archäologie von Mr. Wellington ist schon beeindruckend. :slightly_smiling_face:

Ich habe übrigens Amy (die Frau im Video) angeschrieben. Und sie schrieb zurück, dass sich bei ihr jemand von einem belgischen Museum gemeldet hat, der ihre Theorie zwar interssant fand, sie aber für falsch hält. Eine detaillierte Analyse hätte er beigefügt.

Um diese Analyse habe ich sie gerade gebeten. Ich bin gespannt, was da von berufener Seite geschrieben wurde – und gebe hier Bescheid, wenn sie sich auf meine Bitte eingelassen hat. :wink:

LG Barbara

Wally liebe ich vor allem deshalb, weil er der esoterischen “wie-hätten-sie-das-denn-gemacht-haben-sollen”-Fraktion jeden Wind aus den Segeln nimmt.

Er hat bewiesen, dass Monumente wie Stonehenge rein theoretisch von einer einzigen Person (!) errichtet worden sein konnten — von der Materialgewinnung und Anlieferung einmal abgesehen.

Gute Idee! Seien wir gespannt, was sich ergibt. Das Video ist ja ganz neu und wird sicher noch einige Wellen schlagen.

Gruß, Timo

Hier das Mail vom Gallo-Römischen Museum. Amy hat wohl doch das Museum angeschrieben und das ist die Antwort. Es gibt ein paar Einwände, die aber in meinen Augen nicht Amys Theorie komplett aushebeln.


Dear Ms. Gaines,

Thank you so much for your email and video! We are always glad when people write us, critically examine the past, and engage with our collection. My colleagues and I have taken a look at your video.

I found your theory particularly interesting as I am a trained goldsmith in addition to being an archaeologist.

As you have demonstrated it is impossible to deny that the dodecahedron works as a tool to make “Viking knit” chain (Also known as Trichinopoly chain). The combined use as a multi-diameter drawplate is definitely plausible. If dodecahedra were used in combination with wooden rods, it’s true that these rods probably wouldn’t have been preserved. As a matter of fact, one dodecahedron has been found in a grave together with a rod made out of bone. This has been interpreted as a staff, but could definitely have served the purpose that you suggest in your theory. Unfortunately, this bone rod was not preserved due to its poor condition. All of this to say: taken purely as a stand-alone hypothesis, your theory holds up.

There are however, certain arguments against your theory that cannot be ignored.

First of all, Viking knit chain can be made with very simple tools. A length of wire, a rod, and a plank with a hole drilled into it are sufficient. I myself have used this method in the past. The dodecahedron is a notably difficult shape to make. Making one required a significant investment of time, skill, and materials. Keeping in mind that Viking knit can be made with cheap and simple tools, this could be regarded as an unnecessary investment. Also, the dodecahedron in our collection (the only one I can vouch for) does not appear to show visible signs of wear that could be attributed to repeated use as a drawplate.

Furthermore, neither of the examples of ancient Roman Viking knit chain that you provide (the images from the Met) actually represent Viking knit chain. In fact, both of them seem to me to be loop-in-loop chains (fuchsschwanzkette in German). These chains consist of separate links rather than a single piece of woven wire. They can be very simple, but more complicated versions like triple/quadruple loop-in-loop chains can easily be mistaken for Viking-knit chains. See this link for a modern tutorial on how these chains are made. As far as I’m aware, there are no examples of Viking knit chains during the roman period. Many online resources claim the contrary, but they never provide a credible source for their claims.

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## Quadruple Loop in Loop Chains
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There is also a geographical element to consider. If your identification of Roman chains as being Viking knit were correct, and they were made with dodecahedra, one would expect dodecahedra to be found all over the Roman empire’s former territory. This is not the case. Dodecahedra seem to have only been produced and used in the north-western provinces. Most of the known dodecahedra were found in the UK, the Netherlands, Belgium, France, Germany and Switzerland. The easternmost dodecahedron finds were made in Austria and Hungary. Only a couple have been found close to the Mediterranean, and they were from the south of France. In fact, the map of find spots of dodecahedra corresponds remarkably closely to a map of areas in the Roman Empire with a Celtic history. This in and of itself suggests that dodecahedra are more likely to have had a cultural function than a universally applicable practical function. One of the chains you provide as an example, the one with the pendant in the shape of the god Bes, is 2nd century Egyptian in origin. Even if it weren’t (as it seems to me to be) a loop-in-loop chain, it is unlikely that it would have been constructed with a dodecahedron. There simply isn’t any reason to believe that there were any Roman dodecahedra in Egypt.

As you can see, I’m afraid that your theory, while interesting and plausible, seems unlikely to be correct when viewed within the bigger picture.

Thanks again for your interest! Don’t hesitate to contact us again in future.

Best Regards


LG Barbara

Bearbeitungsnotitz: Ich habe den Namen des Antwortenden gelöscht! Ich weiß im Moment nicht, ob es Probleme mit der Veröffentlichung des Mails geben kann.

@RandomHH
@Geognost

Hallo zusammen,

die Antwort ist ja nicht gerade ermunternd in Richtung handwerkliche Hilfsvorrichtung ! :innocent:

Mich hat damals auch Harald Leschs Strickvorrichtung für Handschuhe nicht überzeugt. Beides ist übrigens in Hinsicht “Schlauchweben” nicht soweit auseinander.
Das Fundgebiet deckt übrigens das Verbreitungsgebiet der Kelten ab. Mein Bedenken geht dahin, warum nur dort und warum hat sich bei Schmuckhandwerkern sowas nicht erhalten ? Übrigens waren die Dinger verschieden groß bis hin zur Faustgröße.

Interessant fand ich folgendes PDF:

Zwei neue Pentagondodekaeder
aus Trier
Von Sabine Faust

https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/fuabt/article/download/54652/55616

ZITAT;
…ein in gleicher Weise ausgestatteter Ikosaeder (aus 20 Dreiecken) mit Öffnungen auf zwei gegenüberliegenden Seiten und der für einen Teil der Pentagondodekaeder typischen Kreisaugenverzierung gefunden wurde (Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 53,356. Fundort: Arloff, Nordrhein-Westfalen). ENDE

Bild
Ikosaeder, Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 53,356.
File:2018 Rheinisches Landesmuseum Bonn, Dodekaeder & Ikosaeder.jpg - Wikipedia KLICK

Gruß
Kurti

@kurti und @Geognost

Es gibt verschiedene (historische) Techniken, ähnlich aussehende Ketten herzustellen:

  1. aus Einzelgliedern
  2. aus Draht gestrickt

Goldschmiede haben für spezielle Arbeiten schon immer speziell hergestellte Werzeuge und Hilfsmittel benutzt. Hier ein vom Goldschmied selbst hergestelltes „Hilfsmittel“ für die erste Variante:

draht

Ich neige weiterhin zu der Deutung als „Werkzeug“. Solche Ketten sind „Luxusartikel“, deren Herstellung handwerkliche Präzision erfordert. Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass man für solche Arbeiten ein Werkzeug für verschiedene Drahtdurchmesser und Kettenstärken hergestellt hat. Dass man dazu auf einen „Platonischen Körper“ zurückgegiffen hat, mag (im weitesten Sinne) esoterische/mystische Gründe, und damit vielleicht einer gewissen “Mode” der damaligen Gedankenwelt entsprochen haben.

Dass sich so ein „spezielles“ Werkzeug/Hilfsmittel @kurti , wie diese Dodekaeder, bei den Schmuckhandwerkern nicht erhalten hat, finde ich deshalb nicht unbedingt verwunderlich.

Übrigens war schon in den Megalithkulturen das Grundprinzip der Didekaedersymmetrie bekannt (siehe das mittlere Teil):

platonische-koerper

Im Folgenden Auszüge aus der Zusammenfassung einer Diplomarbeit (1999) zu den römischen Dodekaedern. Nach Betrachtung aller bis dahin vorliegenden Deutungen kommt der Verfasser zu der These, dass es sich bei den Dodekaedern um ein kosmisch allumfassendes Zeichen handelt, das die einem Amulett vergleichbare Funktion besessen hat. Erst Amy ist auf den möglichen speziellen Verwendungszweck gestoßen. :wink:
—————————
[…]
„Dieser lange Benutzungszeitraum von mehr als 200 Jahren beweist, daß es sich keineswegs um eine kurzfristige ‚Modeerscheinung‘ handelte, sondern um ein Gerät, das über mehrere Generationen in grundsätzlich unveränderter Weise hergestellt und verwendet wurde. Eine zeitliche Abfolge einzelner Dodekaeder-Typen oder etwa eine Entwicklung von kleineren zu größeren Exemplaren läßt sich nicht absehen. Auch Versuche keltische Vorläufer ausfindig zu machen schlugen fehl.

Wie die Grabfunde zeigen, wurden die Dodekaeder von Männern und Frauen benutzt. Als Besitzerschicht kristallisiert sich eine wohlhabendere Personengruppe – fundraumbedingt – vorwiegend keltischer Abstammung heraus, […]

Die unterschiedlichen Fundsituationen in Verbindung mit der Abwesenheit in Heiligtümern schließt einen Zusammenhang mit öffentlichen religiösen Kulten aus […]

Die zweifellos bemerkenswerteste Fundsituation ist die des Dodekaeders von Gellep, unmittelbar bei einem stabförmigen Objekt aus Bein. Da es sich aufgrund seiner Erhaltung – vom Skelett haben sich nur die Zähne erhalten – und Lage innerhalb des Grabes nicht um einen menschlichen Knochen handeln kann, ist das Stück als Teil des Grabinventars anzusehen, wobei die Nähe zum Dodekaeder eine funktionale Verbindung zwischen beiden Gegenständen nahelegt. Umso bedauernswerter ist, daß dieses Beinstück für Untersuchungen nicht zur Verfügung steht, weil es wegen der widrigen Bodenverhältnisse so schlecht erhalten war, daß es nicht geborgen werden konnte.

[…]

Das Größenspektrum der Dodekaeder ist mit einer Höhe (ohne Eckkugeln) von etwa vier bis zehn Zentimetern relativ eng begrenzt, was darauf hindeutet, daß die Größe für die Nutzung des Objekts eine relevante Rolle spielte.

[…]

Den Löchern der Dodekaeder, die Durchmesser zwischen sechs und 40 Millimeter aufweisen, liegt, wie die eingehende Analyse der Maße ergibt, als einzige Gesetzmäßigkeit die stetige Varianz ihrer Größe zugrunde, sie folgen weder Norm noch Zahl. […]

Quelle:

LG Barbara

@RandomHH

Hallo Barbara,

ich hatte auch noch zwei PDF mit einerseits einer Begutachtung der Fertigung und der Gebrauchsspuren und andererseits über Platonische-Körper und esoterische Gedankenwelt.
Ich habe sie leider wieder gelöscht, weil im Thread Schweigen herrschte. Ich selbst bin da eher auf der esoterischen Seite, obwohl mir das selbst nicht zu eigen ist ! :sunglasses:
Sowas muß sich jedenfalls nicht unbedingt in der ausgeübten Religion und im Tempel wiederfinden.
Da ich vorher nur den “Dodekaeder” in dieser Machart kannte, hat mich der “Ikosaeder” etwas stutzig gemacht in Bezug auf ein Werkzeug.
Kurz um, die jeweils “überzeugenden” Artikel kommen mir vor wie die berühmt, berüchtigten “Gutachten” und “Gegengutachten” vor Gericht. :face_with_monocle:

Was haben die Geröllheimer eigentlich mit diesen Dingern gestrickt ? :thinking:

Beste Grüße
Heinz

Schade, dass du die PDFs wieder entsorgt hast. Das waren wahrscheinlich Beiträge, die ich selber nicht gefunden habe.

Dass esoterische/mystische Gedanken ihren Niederschlag nicht nur in Amuletten etc., sondern auch in Gebrauchgeständen wiederfinden lassen, ist, glaube ich, unwidersprochen. Warum also nicht in einem Werkzeug für besondere und wertvolle Ketten?

Ich habe auf Anhieb leider nichts zur Gedankenwelt römischer Menschen mit keltischer Abstammung finden können. Mir fehlt im Moment auch die Zeit für intensive Recherche.

Und: Haben die Geröllheimer überhaupt schon das Stricken gelernt? :face_with_monocle:

LG Barbara

@RandomHH

Hallo Barbara,

ich habe das PDF wiedergefunden:

Tiroler Landesmuseum
260 Jahre Dodekaeder-Forschung
Michael Guggenberger

Du kannst es ja durchlesen, wenn du wieder Zeit hast.

Bis dann beste Grüße
Kurti

NACHTRAG:

Braucht man dazu einen Knochen wie bei der Grabbeigabe ?

Gebrauch 1

Das hinterlässt doch sicher mit der Zeit Gebrauchsspuren an den Löchern und den Kugelhälsen !?

Gebrauch 2

Danke für das PDF! Das ist der Autor, von dem ich aus einer anderen Zusammenfassung schon zitiert hatte.

Amy hat es vorgemacht: Man strickt am Stab entlang. Warum aus Knochen? Keine Ahnung. Esoterische/mystische Bedeutung?

Solche Drähte aus Gold oder Silber sind weicher als die Bronze/Kupferlegierungen der Dodekaeder. Und wenn diese “Werkzeuge” keiner Massenproduktion gedient haben, wovon wahrscheinlich auszugehen ist, dann dürften irgenwelche Arbeitsspuren so marginal sein, dass sie durch die Bildung einer Patina ausgelöscht worden sind.

Übrigens: Mit Amys Theorie würden sich auch die gelengentlich gefundenen Wachsreste erklären. Bei Amys Theorie dienen die verschieden großen Löcher dazu, die Strickarbeit zu verdichten und auf einen gewünschten Schlauchdurchmesser zu bringen – nacheinander durch immer engere Löcher. Goldschmiede benutzen beim Drahtziehen Wachs als Gleitmittel und damit zum Schutz der Edelmetalloberfläche.

Aber ich will mich nicht auf Amys handwerkliche und praxisnahe Deutung versteifen. Auch wenn sie mir sehr sympathisch ist.

Ich könnte mir als zweite Theorie auch einen Gebrauch eine Art Orakel- oder Glückswürfel vorstellen:

Das Abrollen eines Dodekaeders kann man auch mit dem geschicktesten Wurf nicht kontrollieren. Die Römer hatten zwar auch Würfel mit 20 Seiten, aber jeder Wurf war damit immer eindeutig. Was, wenn Lochgrößen des Dodekaders passend über verschieden große Tokens/Spielsteine/Münzen zum Liegen gekommen sein müssten? Dreidimensionale Objekte würden die Knubbeln an den Ecken erklären.

Wäre ich Spieleentwicklerin, könnte ich auf dieser Basis vielleicht das nächste Spiel des Jahres lancieren oder die esotherische Gemeinde mit DIY-Anleitungen ansprechen. :laughing:

LG Barbara

Knochen sind an der Oberfläche glatter als Holz und enthalten zudem natürliche Fette, daher sollte bei der Arbeit weniger unerwünschte Reibung entstehen.

[Edit: Kämme und Nadeln etwa, zwei Produkte bei denen Reibung absolut unerwünscht ist, wurden bekanntlich teils bis in die Neuzeit aus Knochen oder Horn gefertigt, bevor Kunststoff und Edelstahl eine Massenfertigung erlaubten.]

Ich würde jedenfalls nur ungern mein Falzbein gegen ein vergleichbares Holzwerkzeug tauschen.

Gruß, Timo

@RandomHH
@Geognost

Hallo Barbara,
da hab ich schneller geschrieben als ich gedacht habe ! :weary:
Wenn du dir die Rippen am Schlauch anschaust und das Ding wird mehrmals mit enormer Quetschung durchgezogen , dann drehen wir den Spieß doch einfach um ! :sweat_smile:

Außerdem wäre da immer noch der gleich verzierte Ikosaeder und die räumliche Begrenzung des Pentagondodekaeder !?

Hallo Timo,

schau dir das Video mal an ! Ein fetter Knochen wäre nicht gerade vorteilhaft bei der Arbeit gewesen. Vorsicht Rutschgefahr !!!
Wie lange bleibt er fett ? Mußte man jedes mal ein Schwein schlachten ? :sweat_smile:
Zur Not hätte ein Kupferrohr auch gute Dienste geleistet aber das war gar nicht nötig wie du im Video siehst !? Wie du im Video erfahren kannst, kennt sie die Methode von Wikinger-Ketten mit der “Wikinger-Stricklies”

Damit wären wir bei einem ganz anderen Thema und der Frage: " Hatten die Römer oder Kelten überhaupt solche “gestrickten” Ketten ? :face_with_monocle:

Frühmittelalterliche Schlangenkette von Isenbüttel

Zwei verschiedene Kettenherstellungsmethoden

Seite 401

ZITAT:
Bei komplexeren und dickeren (»mehrfachen«) Ketten, vergleichbar mit der aus Isenbüttel, bediente man sich einer Variante dieser Technik, dem doubled oder three fold doubled loop-in-loop
Dabei wurde jedes einzelne Kettenglied direkt in mehrere Ösengeformt (sodass eine Art Kleeblatt- oder Blütenform entsteht) und diese dann durch die entsprechendenÖsen der vorhergehenden Kettenglieder gezogen. Somit konnte man auch dickere Kettenstränge produzieren.
Allerdings sind aus späterer Zeit auch Ketten mit einem vergleichbaren Durchmesser bekannt, die nur aus einem Draht gestrickt wurden, z. B. aus der Wikingerzeit. Dafür wurde der Draht zu Ösen geformt und mithilfe einer kleinen (Häkel-)Nadel fortlaufend rund gestrickt. Teilweise ist sogar der Einsatz eines Werkzeuges nachweisbar, das an eine Strickliesel erinnert, so z. B. bei einer Silberkette aus dem14. Jahrhundert aus dem Erfurter Schatzfund. **ENDE**

Seite 407, Abb. 9
Besagte Kette aus dem Britischen Museum

Die Kette ist eine feine, sechsseitige (dreifache) Schlaufenkonstruktion. !!!


Römische Fuchsschwanzkette

Seite 76
ZITAT
Die Kettchen aus Gold oder aus Bronze werden durch Zusammenschweissen von kleinen Drahtringen hergestellt. Diese können zu einer Doppelschlaufe zusammengedrückt, umgebogen und ineinandergehakt werden. Die einzelnen zweiteiligen Schlaufen können in sich um 90° gedreht werden, wodurch abwechselnd senkrecht und waagrecht liegende Ösen entstehen. Eine kompakte Kette entsteht, wenn jeweils zwei Ösen ineinandergezogen werden. Durch radiale Anordnung solcher Glieder entsteht die sogenannte Fuchsschwanzkette, die im 3. Jh. getragen wurde. Bekannt war sie schon in griechischer und hellenistischer Zeit; auch aus der Latènezeit sind Goldketten dieser Art bekannt. Aus Gold kommen sie seit der frühen Kaiserzeit vor 287. In der mittleren und späten Kaiserzeit waren sie in den meisten römischen Provinzen 288 verbreitet. ENDE

Grus´?
Kurti

Hallo Heinz,

Hat du einmal Draht um ein Rundholz gewickelt und dir dann beim Abziehen gewünscht, der Kern sei glatter?

Wir reden hier wohl eher von Hirschknochen, wie sie zum Beispiel noch heute zum Polieren von Lederschuhen verwendet werden:

Wenn man nach “Torques” googelt, findet man da einige Beispiele, z.B. hier oben rechts:


Gruß, Timo

Mit sanfter(!) Quetschung durch immer kleinere Löcher! Und als Gleitmittel und Schutz dann das Wachs, was heute noch von Goldschmieden beim Drahtziehen benutzt wird. :wink:

Zurückzuführen auf identische kulturelle Hintergründe der Herkunft der Besitzer?

Diese “Strickmethode” ist schon lange vor den Wikingern benutzt worden. Archäologische Funde datieren zwischen dem 1. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. (leider habe ich keine Beispiele parat).

Da die “Strickmethode” nicht von Fotos abzulesen ist, hier ein Foto aus dem Gaulcross Hoard, bei dem die “Trichinopoly” genannte Technik in den Fundbeschreibungen genannt wird. Zum Hort gehörige Münzfunde legen eine Entstehungszeit vor dem frühen 5. Jahrhundert nahe. Der Schmuck wird der keltischen Kultur zugeordnet. Und geht man davon aus, dass die Gegenstände über mehrere Generationen “gehortet” wurden, passt das schon zu den Dodekaedern.

Also für mich ergeben sich bisher keine wesentlichen Einwände gegen eine Verwendung als Strickliesel mit zusätzlicher esoterischer Bedeutung. :upside_down_face:

@Geognost Danke für zusätzliche Erläuterungen zum Nutzen von beinernem Material. :blush:

LG Barbara

Hallo Barbara,

informierst du Amy über den Fund aus Gellep (Dodekaeder neben passendem Bein), für den Fall dass sie ihn noch nicht kennt? Vielleicht möchte sie es ja einmal mit einem rundgedrechselten und glattpolierten Hirschknochen probieren.

Sehe ich auch so. Und das belgische Gegenargument mit dem Kettenfund aus dem ganz und gar außerkeltischen Ägypten finde ich recht schwach — in einem bestens vernetzten Römischen Reich, in dem etwa Olivenöl und Wein bis nach Britannien und Germanien geliefert wurden.

Gruß, Timo

Ich vermute, Amy liest mit. Ich habe ihr den Link gegeben. Sie war sehr erfreut darüber, dass ihre These es in ein Forum für Archäologie geschafft hat. :slightly_smiling_face:

Zumal auch die Ägypter nicht nur Draht herstellen konnten (in kürzeren Stücken; das Ziehen von längeren Drähten kannten sie noch nicht), sondern auch die technische Vorform des Strickens kannten (Nålebinding):

LG Barbara

Wobei diese Kette aus dem längst römischen Ägypten des 2. Jhds. stammen soll, und ein Technologietransfer aus Gallien in dieser Zeit alles andere als ungewöhnlich wäre.

There simply isn’t any reason to believe that there were any Roman dodecahedra in Egypt.

Über den Satz aus der belgischen Antwort an Amy komme ich nicht hinweg. Weil man bislang in Ägypten keinen römischen Dodekaeder gefunden hat, hätte es dort niemals welche gegeben? Im Kontext einer ‘globalisierten’ römischen Welt erscheint diese Aussage fast etwas weltfremd.

Gruß, Timo